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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Malware-Zoo, den sich unsereiner so hält.«
    »Aber die Angriffe haben offenbar koordiniert begonnen. Lässt du deine Helferlein wie E. T. nach Hause telefonieren?«
    »Viel zu auffällig«, prahlte der Welt weisester Witzbold. »Ich rufe sie an.«
    »Was? Wie?«, gab sich Jamila erstaunt.
    »Ich benutze die Zeitserver. Keine Organisation überlässt heute noch das Timing den dicken Fingern des Bedienpersonals. Viel zu fehlerträchtig, wo es im globalen Business doch oft um sekundengenaue Synchronisierung von Abläufen geht. Eigene Uhren zu installieren ist auch längst out.
    Man holt sich die Zeit kostengünstig aus dem Internet.

    Spezielle Server senden unablässig atomgenaue Zeitsignale ins Web, süße kleine Datenpakete, aber für einen Computervirus genügt schon ein Bit an der richtigen Stelle, und es macht bum!« Justin breitete effektvoll die Arme aus.
    »Und die Lawine geht ab«, kommentierte Jamila trocken. So hat er’s also gemacht, dachte sie insgeheim.
    »Die Cyberterroristen könnten natürlich noch andere Tricks draufhaben«, fügte er schnell hinzu, als wäre alles nur ein Gedankenspiel.
    »Du hast echt was drauf«, sagte sie, um seine Laune zu heben.
    Er grinste. »Schön, dass du’s endlich kapierst.« Er hob die Ausrüstung auf. »Gehen wir auf Schatzsuche?«
    »Was sagt das GPS?«
    »Die Stelle müsste sich irgendwo da drüben befinden.« Er deutete nach links.
    Sie verließen den Weg und liefen ein Stück durchs Unterholz.
    Wie ein schleichender Indianer auf Kriegspfad bewegte sich Justin dabei nicht gerade, ständig hallte das Knacken trockener Äste durch den Wald. Mit einem Mal entdeckte Jamila vor sich einen dunklen Schatten. Sie machte ihren Begleiter darauf aufmerksam.
    »Könnte der Fels sein, der einem Totenkopf ähnelt, wie Beale geschrieben hat.«
    Und so war es. Als sie den großen Findling erreicht hatten, wusste Jamila sofort, dass sie am Ziel waren. Es bedurfte keiner allzu großen Fantasie, um in dem eiförmigen Stein einen Schädel zu erkennen. Sie zeigte auf einige Vertiefungen, die Augenhöhlen glichen. »Da sind ein paar scharfe Kanten. Sieht aus, als hätte jemand nachgeholfen, um dem Gesicht mehr Kontur zu verleihen.«
    »Spielt das irgendeine Rolle?«

    »Wohl kaum«, antwortete sie schneller, als es ihr Gefühl erlaubte.
    »Lass uns anfangen.« Justin steckte bereits den ersten Detektor zusammen. Er bestand im Wesentlichen aus einem Ring, der an einem langen Rohr hing, das mit einer Elektronikeinheit versehen war. Ein Piepton und eine zusätzliche Digitalanzeige verrieten dem Benutzer, ob sich im Boden Metall befand. Nachdem beide Apparate betriebsbereit waren, nahm sich jeder einen und begab sich im Umkreis des Felsens auf die Suche. Justin fing vorne an. Er meinte, unter den Augen des Wächters sei ein Schatz am besten aufgehoben.
    Jamila blieb die Rückseite. So als versprühe sie Unkrautvertilgungsmittel, schwenkte sie den Ring langsam hin und her, wobei sie sich gleichzeitig zentimeterweise voranbewegte. Schon nach wenigen Minuten vernahm sie den Meldeton, fast klang es wie das Fiepen eines fremdartigen Jungtiers. Als sie die Stelle gezielt untersuchte, wurde daraus ein anhaltender Piepton.
    »Ich hab was!«, rief sie.
    Justin kam schon um den Felsen gelaufen, offenbar hatte er das Geräusch ebenfalls gehört.
    »Genau hier«, erklärte sie und schaltete ihren Detektor aus.
    »Fang an zu graben.«
    Er sah sie verdutzt an. »Ich?«
    »Willst du etwa ein Mädchen im Dreck wühlen lassen?«
    Griesgrämig stapfte er um den Findling herum und kehrte mit Leiter und Werkzeugen zurück. Gleich darauf stach er den Spaten ins Erdreich, als sei er der heilige Georg und der Waldboden ein Drache. Das stählerne Blatt drang ungefähr zwei Fingerbreit ein.
    »Au verdammt!«
    »Was ist?«, erkundigte sich Jamila, obwohl sie es bereits ahnte.

    »Wurzeln. Und wir haben keine Axt dabei.«
    Jetzt musste sie grinsen. »Ich denke, du hast deine Hausaufgaben gemacht. Wie schrieb Beale doch so schön?
    ›Über dem Platz ragt ein Fels aus dem Wurzelwerk.‹ Dachtest du, das sei nur Poesie?«
    »Mich da mit Hacke und Spaten sechs Fuß tief durchzuarbeiten dauert Stunden!«
    Sie lief ein paar Schritte weit zu einem umgestürzten Baumstamm, setzte sich darauf und sagte schmunzelnd: »Tja, ich bin gefahren. Jetzt bist du an der Reihe. Dann streng dich mal an.«

    Drei Stunden später war Justin am Ende seiner Kräfte und knapp zwei Meter tiefer. Trotz des kühlen Novemberwetters schuftete

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