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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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fand er sehr amüsant. Sie wäre allerdings keine gute Agentin, wenn sie den ersten Schock nicht schnell überwunden hätte.
    »Ach deswegen warst du vorhin so gesprächig«, sagte sie.
    »Du wusstest, dass ich deine ›Betriebsgeheimnisse‹ nicht mehr würde verraten können. Was ist das hier? Ein privater Feldzug, oder hat Emil dich beauftragt, mich zu töten?«
    Er beschloss, seinen Triumph noch ein wenig auszukosten, und erwiderte schulterzuckend: »Etwas von beidem, würde ich sagen.« Weil ihre Arme sich langsam nach unten bewegten, fügte er hinzu: »Behalte deine Hände immer schön oben. Ich weiß, dass du einen Holster mit einer netten, kleinen Heckler & Koch-Zimmerflack unter deiner sackförmigen, unvorteilhaften schwarzen Jacke trägst. Wo kaufst du nur ein, JJ?«
    »Ich habe einen Schneider in Bogota«, knurrte sie.
    Immerhin hatte sie einen unverwüstlichen Humor. Das gefiel ihm so an ihr.
    »Du hast zu viel Zeit mit Killerspielen verbracht, Justin. Tu endlich die Waffe weg, und wir vergessen das Ganze.«
    Das war lustig. Er lachte und gab seiner Stimme einen kindlichen Klang. »Du hast mich ertappt, Mama. Aber das Spielen macht mir doch so viel Spaß. Außerdem trainiert es Reflexe und Zielsicherheit.«
    »Und den Killerinstinkt. Ich habe keine Zweifel, dass du einen Menschen töten kannst, Justin, aber willst du es auch?«
    Diese kleine Schlampe wollte ihn manipulieren. Das nun wiederum fand er weniger amüsant. »Was weißt du denn schon! Du hast mich doch nie beachtet«, schnaubte er. Ihre Augen funkelten. Diese grünen Juwelen hatte er immer besonders an ihr gemocht.
    »Bist du etwa eifersüchtig auf Tim?«, fragte sie unvermittelt.
    Er lachte. »Etwa auf das deutsche Wunderkind? Wo denkst du hin!« Schlagartig wurde er wieder ernst. »Der Schlappschwanz wird niemals bekommen, was ich nicht haben durfte. Du hast immer nur die anderen angesehn, Karim und jetzt diesen Labin, aber für mich blieb nicht mal ein Lächeln übrig.«
    »Das ist nicht…«
    »Doch, es ist wahr!«, fuhr er ihr über den Mund. Seine Pistolenhand zitterte vor Wut. Am liebsten hätte er sofort geschossen, aber das hieße, auf ein Vergnügen verzichten. »Du bist immer sein Liebling gewesen. Aber solltest du irgendwann nicht mehr da sein, dann rückt die Nummer zwei auf: ich.« Mit Genugtuung registrierte er das bestürzte Flackern in ihren hübschen Augen.
    »Wenn das hier schon die Stunde der Wahrheit ist«, sagte sie,
    »dann verrate mir, wer Azam nach Boston beordert hat. Warst du das?«
    Justin runzelte die Stirn. »Wer ist Azam?«
    »Jetzt tu nicht so. Er war mein Bruder – oder wenigstens mein Stiefbruder. In England hat er Professor Afsahi ermordet, danach beinahe Dr. Labin, und ich bin sicher, dass auch Karims Blut an seinen Händen klebte.«
    »Ach so, der Azam. Der Al-Qaida-Terrorist aus den Nachrichten. Mit dem habe ich nichts zu tun.«
    Offenkundig verwirrte sie diese Antwort. »Und Casim?«
    »Kenne ich auch nicht.«
    »Herrje!«, flüsterte sie und nickte. »Allmählich komme ich dahinter, warum mich Emil, kurz nachdem wir den sterbenden Professor gefunden hatten, zum Bibliotheksturm schickte.
    Würde mich nicht wundern, wenn seine geliebten Kameras auch in Zircons Haus oder sogar in der University Library versteckt waren. Er hat auf Überwachungsmonitoren alles beobachtet, um zum passenden Zeitpunkt die richtigen Regieanweisungen zu geben. Die Sache mit der Leiche und der Polizei würde er regeln, hat er gesagt. ›Lauf du nur dem Deutschen hinterher, und beschütze ihn vor diesen Terroristen.‹ Vermutlich hat er Azams Team sogar die Maskierung befohlen, damit ich sie nicht erkenne und mit aller Härte gegen sie vorgehe.«
    »Du bist mindestens so klug wie hübsch«, würdigte Justin ihre Schlussfolgerungen.
    Sie schüttelte sichtlich erschüttert den Kopf. Jetzt begriff sie auch, wieso Afsahi seinen Mörder und vermutlich sogar das Geheimnis der dritten Beale-Chiffre gekannt hatte: Azam war der Mittelsmann zwischen Emil und dem Professor gewesen.
    »Owl hat uns alle gegeneinander ausgespielt. Er hat alle manipuliert.«
    In diesem Punkt war Justin anderer Meinung. Ihre Äußerung beschwor sogar seinen Zorn herauf. »Nicht alle! Nicht mich!«, fauchte er.
    JJ begegnete seiner Wut mit einem mitleidvollen Blick.
    »Wach endlich auf, Justin. Du bist auch nur ein Bauer, den er längst geopfert hat. Emil ist ein Meister des Gambits. Nein, er ist Aliat Mansube – der Meister des Endspiels. Und wozu all das sinnlose

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