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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Töten…?«
    »Ha!«, zerhackte Justin ihr Plädoyer mit einem irren Lachen.
    »Wozu wohl? Um des Geldes wegen natürlich. Es geht immer ums Geld.«
    Sie nickte versonnen, so als erinnere sie sich an eine ähnliche Äußerung aus jüngster Vergangenheit. »Sag, womit hat er dich geködert? Wie hoch soll dein Anteil am Beale-Schatz sein?
    Zehn Prozent von dem, was da drin ist?« Hastig ergriff sie den Deckel und schob ihn zur Seite.

    »Hände weg von deiner Waffe!«, schrie er, und noch ehe sie seiner Aufforderung nachgekommen war, begriff er entsetzt, was sie ihm zeigen wollte. »D-der… der Behälter ist leer!«
    »Offenbar haben wir alle Beale unterschätzt. Und nun steck schon die Beretta weg. Hier ist nichts für dich zu holen.«
    Es dauerte nicht lange, bis Justin den ersten Schrecken überwunden hatte. Er fing an zu kichern, als habe er den Verstand verloren. Dieses Mädchen kapierte immer noch nicht, obwohl sie doch sonst immer so klug war.
    »Was ist daran so lustig?«, hallte es von unten.
    »Nichts«, erwiderte er und brachte kaum ein klares Wort hervor. »Ich habe meine Schäfchen längst im Trockenen. Der Anteil am Beale-Schatz wäre schön gewesen« – er zuckte die Achseln –, »aber ich habe vorgesorgt.« Genussvoll weidete er sich an ihrem überraschten Gesicht.
    Doch dann schien sie zu begreifen. »Du hast spekuliert. Wenn an der Börse die einen verlieren, dann machen die anderen Gewinn. Warentermingeschäfte, nehme ich an.«
    »Dies und das«, gab Justin ihr recht. »Die Tipps kamen übrigens von Meister Kogan. Den richtigen Reibach wollten wir erst machen, wenn der Schatz gehoben wäre.« Er fing wieder an zu kichern, weil er die Wendung »Ironie des Schicksals« nie so tief empfunden hatte wie in diesem Augenblick. »Ist alles ein wenig außer Kontrolle geraten, weil ich die Nachricht aus England zunächst falsch verstanden hatte. Ich dachte, Labin hätte beide Chiffren entziffert und habe über die Zeitserver unsere Schädlinge aktiviert. Tja, und dann…« Das Kichern gewann für einen Moment die Oberhand über die Worte. »Nachdem die Büchse der Pandora erst einmal geöffnet war, bekamen wir sie nicht wieder zu. Oder anders ausgedrückt: Die Lawine, die mein Schuss ausgelöst hat, wurde größer als geplant.«

    JJ starrte mit glasigem Blick zu ihm herauf. »Dann hat Owl die Unabhängigkeitserklärung nie interessiert. Er brauchte nur…« Sie schüttelte den Kopf.
    »…die Zündschnur, um das Pulverfass hochzujagen«, pflichtete Justin ihr bei.
    »Bist du sicher, dass dein Vermögen nicht mit in die Luft geblasen wird? Wenn die Welt nicht bald die Wahrheit über diese Farce erfährt, dann könnte dein schöner neuer Reichtum ganz schnell wieder futsch sein.«
    »Ist uns auch schon aufgefallen. Ich schichte momentan um. Der Meister meint, Gold sei in Krisenzeiten keine schlechte Wahl. Mach dir also keine Sorgen. Und was die Welt und ihr Anrecht auf Wahrheit betrifft« – Justin spannte den Hahn seiner Waffe –, »sie wird sich wohl noch eine Weile gedulden müssen.«
    »Tu’s nicht!«, flehte sie.
    Ach, wie er diese Macht genoss, wie es ihn erregte, sie da unten zu sehen, zu seinen Füßen, im Dreck um ihr jämmerliches kleines Dasein bettelnd! Alles, was ihn jetzt noch von einem Gott unterschied, war die Gewalt über Leben und Tod. Er lächelte. »Mach nicht so ein trauriges Gesicht, kleine Morgiane. Du kannst mich nicht manipulieren. Und unser Meister kann es auch nicht. Ich verspreche dir, ihm werde ich nicht das Grab schaufeln. Das habe ich nur für dich…«
    Justin hatte das Gefühl, eine Bombe sei in seinem Kopf explodiert, begleitet von einem lauten Plong! Ehe er seinen Schädel als Ort dieses Geräusches lokalisieren konnte, wurde ihm auch schon schwarz vor Augen, und er brach besinnungslos zusammen.

    Jamila hatte zuletzt die Augen geschlossen, um dem Tod nicht ins Angesicht blicken zu müssen. Aber dann war da plötzlich dieses metallische Scheppern gewesen, gefolgt vom dumpfen Laut eines fallenden Körpers. Sie riss die Augen wieder auf.
    Über sich sah sie nur Baumwipfel und Himmel. Justin Flock war verschwunden. Dann trat eine andere Gestalt in ihr Blickfeld.
    »Du!?«
    Tim lächelte gequält und ließ den Schaft des Spatens in seine linke Handfläche klatschen. An dem Blatt klebte Blut.
    »Hoffentlich habe ich ihn nicht umgebracht. Ich mache so was zum ersten Mal. Komm hoch, damit wir ihn uns anschauen können.« Er zog sich aus ihrem Blickfeld zurück.
    Überrascht

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