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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Walsh. Es geht um das Hacken von ein paar echten Computernetzwerken, die ich Ihnen benennen werde.« Er hob den Zeigefinger. »Eins muss ich vorausschicken. Merken Sie sich bitte für unser Experiment unbedingt eine Regel: Beginnen Sie Ihre Attacke immer mit dem Passwort ›Gambit‹.
    Der Computer wird Sie abweisen. Doch im Hintergrund tut er noch etwas anderes. Man könnte es mit dem Stellen einer Weiche vergleichen. Von diesem Moment an erfolgen Ihre sämtlichen Angriffe nicht auf die echten Daten der Firma oder Institution, sondern auf Backup- oder Test-Server, die sich jedoch ganz genauso verhalten wie die Produktivsysteme. In den Organisationen, die Sie attackieren, wird niemand dieses Umschalten bemerken.«
    »Und wer hat die Weiche eingebaut?«
    »Gut aufgepasst, Mr. Flock. Selbstverständlich ist immer die oberste Geschäftsleitung eingeweiht. Sie beteiligt sich an unserem Spiel, weil sie sich wertvolle Erkenntnisse davon erhofft. Wir werden den Managern zeigen, wie sich ihre Mitarbeiter in einem Angriffsfall verhalten.« Über Kogans Gesicht huschte ein Lächeln. »Als Erstes wollen wir eine Versicherung in den Ruin treiben.«

    Das Opfer firmierte unter dem Namen Illinois Shelter Insurance Group. In der ersten Phase der »Partie«, der Aufstellung, sammelte die Gruppe aus verschiedenen Online-Quellen wie der offiziellen Homepage des Unternehmens und Pressearchiven Informationsschnipsel über die Versicherung.
    JJ tätigte einige Anrufe, dem Anschein nach harmlose Anfragen, die dem Zweck dienten, Namen von Mitarbeitern zu sammeln und sich mit dem firmeninternen Jargon vertraut zu machen. Sie fanden heraus, dass die Angestellten ihre Firma entweder »ISIG« oder schlicht the barn – »der Schuppen« – nannten, was mit der vergleichsweise ländlichen Lage des Firmenhauptquartiers in Springfield zusammenhing.
    Am nächsten Tag folgte Phase zwei, die Eröffnung. JJ rief in der Telefonzentrale der Versicherung an und bat darum, mit Mrs. Parker verbunden zu werden. Die für die Schadensaufnahme zuständige Außendienstmitarbeiterin war – erwartungsgemäß – nicht im Hause. Man gab JJ eine Handynummer. Diese wählte sie dann.
    »Hi, Mrs. Parker, hier ist Cynthia Kolodziejczyk.« Den Namen konnte sich niemand merken.
    »Cynthia – wer?«
    JJ wechselte in einen verlegenen Ton. »Personalabteilung.
    Mrs. Parker, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Gehalt ab sofort gepfändet wird.«
    »Was?«, japste die Angerufene. »Wieso denn das?«
    »Na ja, es geht mich ja nichts an, aber was haben Sie sich bei Ihrem Einkommen dabei gedacht, sich einen Porsche auf Kredit zu kaufen?«
    »Ich? Einen Porsche? Das muss ein Irrtum sein. Ich fahre schon seit Jahren einen rostigen Buick.«
    »Das halte ich für ausgeschlossen, Mrs. Parker. Aber wenn Sie es für richtig halten, prüfe ich das gerne nach.«
    »Ich bitte darum. Ich und ein Porsche – bin ich die Queen?«
    »Die würde bestimmt einen Rolls fahren«, scherzte JJ, um die Stimmung aufzulockern. »Vielleicht handelt es sich um eine Namensähnlichkeit. Manchmal ist der Schuppen ja ein richtiger Sauhaufen.«
    »Wem sagen Sie das!«
    »Sie sind doch Juliet Parker, richtig?«
    »Ja. Juliet Amanda Parker.«

    »Könnten Sie das bitte buchstabieren?«
    Mrs. Parker tat es mit aller Gründlichkeit.
    »Geben Sie mir zur Sicherheit bitte auch gleich noch Ihr Geburtsdatum und die Personalnummer.«
    Auch diese, wie sie glaubte, harmlosen Informationen rückte die Sachbearbeiterin bereitwillig heraus.
    JJ versicherte ihr, dass sie den Vorgang gründlich prüfen und sich wieder melden werde.
    Anschließend durchforstete die Gruppe das Internet nach Informationshäppchen über Juliet Amanda Parker. Auf einer Highschool-Seite konnten sie Biografisches finden. Das Zeitungsarchiv des State Journal Register, einer Lokalzeitung aus Springfield, lieferte einen Artikel über die Verleihung einer Ehrenmedaille des Hundezüchtervereins, weil Mrs.
    Parker einen Collie namens Lassie vor dem Ertrinken gerettet hatte. Und aus Online-Foren war allerlei Interessantes über ihre Hobbys zu erfahren. Zwischendurch legte Tianna für JJ bei einem Anbieter für kostenlose Mailboxen eine E-Mail-Adresse an.
    So gewappnet machte sich JJ an das Positionsspiel. Sie rief in der Personalabteilung der Versicherung an. Eine brummige Stimme meldete sich mit dem Namen Tom Scully.
    »Hi, Mr. Scully«, flötete JJ in den Hörer, »hier ist Juliet Parker, Abteilung DAM 2. Ich bin gerade auf dem Abflug

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