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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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es würde ziemlich seltsam aussehen, wenn ein Amerikaner zusammen mit türkischen Arbeitern oder sudanesischen Zimmermädchen reisen würde. Ferris solle sich lieber einen guten Wagen nehmen und sich chauffieren lassen, wie es sich nun einmal für einen richtigen Amerikaner gehörte. Im Grunde war Hani überhaupt nicht damit einverstanden, dass Ferris nach Damaskus fuhr. Er war der Meinung, dass auch jemand anders das Video bei Al Dschasira abgeben könnte, aber Ferris hatte sich nicht davon abbringen lassen. Sollte es Fragen geben, war er schließlich der Einzige, der sie beantworten konnte. Nur durch seine Anwesenheit konnte die Herkunft des Bandes garantiert und seine Authentizität bewiesen werden. Hani wusste, dass er recht hatte, aber er protestierte immer noch und wollte Ferris zumindest ein paar Soldaten seiner Spezialtruppe als Leibwächter mitgeben. Ferris lehnte auch das ab, weil es die Reise seiner Meinung nach nur noch gefährlicher machen würde. Schließlich gab Hani zu, dass Ferris recht hatte, aber er war trotzdem nicht glücklich. Er wollte nicht, dass die Bombe, die Ferris da transportierte, ihm in den Händen explodierte.
    Der Subaru verließ Beirut und fuhr auf einer steil ansteigenden Bergstraße von der Küste hinauf zu den Bergdörfern Aley und Bhamdoun und dann weiter hinauf auf den tief verschneiten Gipfel des Berges Libanon. Selbst an einem sonnigen Tag wie diesem war die Straße vereist und glatt, sodass sie nur langsam vorankamen. Oben passierten sie ein paar Kontrollen der libanesischen Armee und fuhren dann wieder abwärts auf das Dorf Chtaura und das Bekaa-Tal zu. Als sie sich der syrischen Grenze näherten, spürte Ferris, wie sich ihm vor Angst der Magen zusammenkrampfte. Seit er im Nahen Osten war, hatte er diese Grenze stets gefürchtet. Jedes Mal, wenn er sie überschritt, beschlich ihn das Gefühl, eine Reise ohne Wiederkehr anzutreten. Drüben in Syrien war man auf Gedeih und Verderb irgendwelchen unsichtbaren Mächten ausgeliefert.
    Hani hatte Ferris einen jordanischen Diplomatenausweis gegeben, der ihm theoretisch einen reibungslosen Grenzübertritt ermöglichen sollte. Aber die Syrer waren neugierig. Warum musste dieser »Fares« im Dienst der Jordanier unterwegs sein? Zum Glück war ihr Informationssystem zu primitiv, um mehr über Ferris herauszubekommen, aber trotzdem blieben sie misstrauisch und fragten ihn, wie lange er denn in Syrien bleiben wolle. Als Ferris antwortete, dass er nur etwas abzuliefern habe und in ein paar Stunden wieder im Libanon sein wolle, beruhigte das den Hauptmann der Grenzpolizei sichtlich. Ferris kam ihm zwar weiterhin verdächtig vor, aber wenigstens würden sie ihn bald wieder los sein.
    Das Taxi überquerte das Gebirge entlang der syrisch-libanesischen Grenze und erreichte eine halbe Stunde später die Vororte von Damaskus. Die Stadt, die sich über viele Quadratkilometer der syrischen Hochebene erstreckte, wirkte auf Ferris wie ein Edelstein, der seinen Glanz verloren hatte. Er gab dem Fahrer die Adresse von Al Dschasira in der Abu Rummaneh, nahe der französischen Botschaft. Das Büro des Senders befand sich in einem schmucklosen Betonbau, der wie vieles in Damaskus so aussah, als wäre dort seit den Sechzigerjahren die Zeit stehen geblieben. Ferris bat den Fahrer zu warten, er brauche nicht länger als ein paar Minuten, und danach würden sie wieder zurück nach Beirut fahren.
    Dann nahm er das kleine braune Packpapierpäckchen mit der Videokassette und stieg aus. In der Manteltasche hatte er noch eine Kopie des Bandes. Er ging an die Tür und drückte den Klingelknopf, unter dem »Al Dschasira« stand. Als eine Sekretärin öffnete, verlangte er den Bürochef zu sprechen. Kurze Zeit später erschien ein kleiner, rundlicher Mann mit doppelreihigem Jackett und einer nicht ganz sauberen Krawatte, der Ferris misstrauisch musterte.
    Ferris räusperte sich. Sosehr er sich auch bemühte, er konnte seine Nervosität nicht ganz unterdrücken. Das hier war immerhin der Endpunkt eines langen, beschwerlichen Weges.
    »Ich habe ein Videoband für Sie«, sagte Ferris. »Von Raouf.«
    »Von wem?« Der Bürochef wich einen Schritt zurück.
    »Von Raouf. Das ist ein Deckname. Er sagte mir, dass Sie auf ein Videoband von ihm warten. Es ist ein ganz besonderes Band, das Ihre Zuschauer bestimmt brennend interessieren wird.«
    Der Bürochef wurde bleich. Er verschwand in seinem Büro und fing an zu telefonieren. Seine Stimme klang unterwürfig. Hin und wieder

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