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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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zu sein wie sein Boss. »Ja, verdammt! Hört auf zu schießen!«
    Tom hörte, wie Joe Jim Hollis anblaffte, dann wurden die Schritte lauter, und eine Gruppe von fünf oder sechs Männern umringte ihn. Collins schwenkte eine Fackel in seine Richtung, der stämmige Typ mit den Bluthunden zog kräftig an der Leine, um die Tiere zurückzuhalten. Jim Hollis, ein schmächtiger blasser Kerl, der schielte, starrte ungläubig auf Tom, der sich langsam erhob und sich den Dreck von der Hose wischte.
    Joe Harper hob die Fackel, deren Schein in seinen Augen flackerte. »Was machst du hier, Tom? Was hast du hier zu suchen? Ist Huck bei dir?«
    »Nein, zum Teufel! Und was macht ihr da? Wollt ihr Huck fassen oder ihn gleich erschießen, Joe? Du hast mich fast umgebracht, Jim!«
    »Woher soll ’n ich das wissen? Kann kein Arsch riechen, dass du das bist, Tom!«, schnauzte Hollis zurück, sein altes Gwyn & Campbell-Gewehr immer noch im Anschlag.
    Joe Harper legte die Hand auf den Lauf der Waffe und drückte sie nach unten. »Lasst es gut sein. Beide. Wir wollen Huck fassen, Tom, nicht erschießen. Das wär zu einfach für das Schwein. Und Jim hier …«, er wies auf seinen Hilfssheriff, »ist halt mit dem Finger schnell am Abzug; also stell dich nicht so an, er konnt’s ja wirklich nicht wissen.«
    »Das ist doch unser Niggerfreund aus dem Saloon! Ich erkenn den Scheißer doch!«
    Tom zuckte zusammen. Das war Jeb, das kleine Frettchen mit dem Allan-Pepperbox-Revolver. Der schob sich vor Joe Harper und wies mit dem Finger auf Tom. Tom sah sich hastig um. Zu seiner Erleichterung entdeckte er Jebs Kumpel Dale nicht unter den Männern.
    Jebs Stimme wurde lauter. »Das ist der Irre, der zusammen mit dem Nigger Dale fertiggemacht hat! Ich schwör’s dir, Joe! Er ist es!«
    Sheriff Harper war sichtlich verwirrt. Er sah nach links, dann nach rechts, als ob irgendwo zwischen den Bäumen eine Antwort darauf zu finden wäre, was er nun als Nächstes tun oder sagen sollte. »Ihr haltet jetzt alle mal die Klappe! Sofort!«, brüllte er schließlich. »Wenn Tom diesem Dale eine Abreibung verpasst hat, dann wird er seine Gründe dafür gehabt haben, aber die sind mir im Moment scheißegal! Wir sind hier, um uns Huck Finn zu schnappen, Herrgott!«
    Joes laute Worte verhallten im Wald. Alle schwiegen.
    Der Sheriff trat dicht zu Tom hin, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Wie sieht’s aus, Pinkterton-Mann: Hilfst du mir jetzt?«
    Tom blickte zu Jeb. Der kleine Mann funkelte ihn hasserfüllt an. Jim Hollis spuckte aus, als Tom ihn musterte. Tom heftete den Blick auf den Sheriff. »Versprichst du mir, dass Huck nichts geschieht und dass er einen fairen Prozess bekommt?«
    Joe kaute auf der Innenseite seiner Backe. Er sah zu Boden, dann nickte er. »Klar, Tom. Huck wird nicht erschossen.«
    Tom schwieg, dann nickte auch er. »In Ordnung, Joe. Ich helfe dir.«
    Joe schnaubte zufrieden. »Dann komm mit. Da oben bei dem kleinen Wasserfall haben die Hunde angeschlagen. Ich schätze, er ist auf dem Weg zur Witwe Douglas. Schließlich hat sie ihm immer etwas zugesteckt, wenn er in Schwierigkeiten war.«
    Die Männer gingen bereits los, und auch Joe wandte sich ab, doch Tom legte ihm die Hand auf die Schulter. Joe drehte sich wieder um. »Was ist?«
    »Du suchst in der falschen Richtung, Sheriff.«
    Joe legte die Stirn in Falten. Die anderen Männer blieben stehen. Tom nahm Joes Fackel und schwenkte sie über dem platt getrampelten Farn am Ufer des kleinen Bachs, den er vorher entdeckt hatte. »Siehst du das?« Er ging ein paar Schritte bergab. »Und das?«
    Wieder lagen Farnbüschel umgeknickt am Boden.
    Der Sheriff trat näher und kniete sich hin. Deutlich sah er den Abdruck eines Stiefels. »Verdammt.«
    Tom hob die Fackel und wandte sich an die Männer. »Huck Finn ist vielleicht ein Säufer, und vielleicht ist er auch ein Irrer. Aber dumm ist er nicht, merkt euch das. Er hat eure Hunde gehört und euch den Hügel hinaufgelockt, und als er an den Bach kam, hat er die Richtung geändert und ist im Bachbett quer durch den Wald wieder bergab gelaufen, weil die Bluthunde da seine Fährte nicht wittern.«
    Tom nahm einen trockenen Ast und zog damit Linien über den Waldboden. »Hier sind wir. Das ist der Hügel und das der Bach. Der mündet am Fuß des Hügels in den Mississippi, aber davor fließt er zwischen ein paar verlassenen Gebäuden hindurch, wo Huck und ich vor vielen Jahren gespielt haben. Da gibt’s tausend Winkel und Ecken, wo

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