Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
Vom Netzwerk:
Fernsehtisch ballte sich ein Wust von Kabeln und alten VHS -Adaptern. Hinter den Kulissen konnte es noch so chaotisch und verworren zugehen, solange die richtigen Stecker in den richtigen Buchsen steckten. »Komm schon, komm schon«, sagte ich laut und schlug mir wütend mit der flachen Hand vor die Stirn, als ob das Bild zurückkehren würde, wenn ich nur lange genug auf den Apparat eindrosch.
    Ich beschloss, allein mit Maddy zu sprechen. Zwar war sie wegen meiner Kehrtwendung vor Gericht vermutlich immer noch stinksauer, aber sie hatte ein Recht darauf, von mir persönlich zu erfahren, wie es um mich stand. Für den Fall, dass sie nicht zu Hause war, hatte ich die Adresse des »Studios«, in dem sie arbeitete. Wie ich erfahren hatte, war Maddy in der Tat Künstlerin, wenn auch keine Malerin. Sie verkaufte riesige gerahmte Fotos, die sie von Londoner Sehenswürdigkeiten geschossen hatte, und finanzierte damit ihre eher experimentellen Fotoarbeiten, die sie in Galerien und Museen ausstellte. Das machte mich noch ein wenig stolzer. Maddy war Fotografin, und nach allem, was man hörte, sogar eine verdammt gute. Ich war erleichtert, dass die Frau, von der ich mich scheiden ließ, nicht jeden Samstag damit verplempern musste, Brautpaare ins rechte Licht zu rücken.
    Eine Stunde später war ich endlich so weit, dass ich das Haus verlassen und Maddy gegenübertreten konnte. Ich betrachtete mich ein letztes Mal im Spiegel. Und zog mich dann doch lieber noch einmal um.
    »Was willst du denn hier?«, sagte Maddy, als sie die Tür aufmachte.
    »Hallo.«
    »Ja und?«
    »Ich wollte dich kennenler-, äh, mit dir reden. In Ruhe.«
    »Du hast vielleicht Nerven.«
    Unsere ersten Augenblicke zu zweit. In meinen Fantasien war sie weitaus erfreuter gewesen, mich wiederzusehen.
    »Ich dachte, ich schulde dir eine Erklärung. Bist du allein?«
    Im Garten bellte der Hund.
    »Ich wüsste nicht, was dich das angeht.«
    »Nur weil … nun ja, das Ganze ist ziemlich kompliziert, und wenn die Kinder zu Hause sind, dann …«
    »Nein, sie sind in der Schule, wie immer um diese Zeit.« Ich wartete ein gefühltes Jahrzehnt. »Na schön, dann komm rein«, sagte sie, drehte sich um und ging ins Haus. Ich stand in der Tür und starrte etwas zu lange auf ein riesiges Schwarz-Weiß-Foto von Barleycove, bis sie den Kopf aus der Küche steckte und sagte: »Also, kommst du jetzt rein oder nicht?«
    »Ja, ’tschuldigung. Soll ich die Schuhe ausziehen?«
    »Was? Seit wann machen wir denn so was?«
    »Ich weiß auch nicht – ich hab’s vergessen.«
    »Öfter mal was Neues …«, murmelte sie halblaut vor sich hin.
    Der Hund kam den Flur entlanggerannt und holte mich mit seiner Begeisterung fast von den Füßen. Ich tätschelte ihn und sah mich staunend um. Es war kein makellos und perfekt eingerichtetes Zuhause, wie man es aus Lifestyle-Magazinen kennt. Nur ein äußerst unkonventioneller Innenarchitekt hätte eine Obstschale zum idealen Aufbewahrungsort für ein altes Handyladegerät und einen ausrangierten Pingpongball erklärt.
    Als wir die Küche betraten, fing ich an zu zittern. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Ich wollte nichts verderben. Maddy hatte Lautsprecher an einen zerschrammten iPod angeschlossen, und ich erkannte den Song.
    »Hey, du stehst auf Coldplay! Ich liebe Coldplay!«, sagte ich.
    »Blödsinn. Du kannst Coldplay nicht ausstehen. Ich durfte sie nie hören, wenn du zu Hause warst.«
    »Ach. Egal, inzwischen mag ich sie …«
    »Was ist eigentlich mit dir los, Vaughan? Erst ignorierst du meine gesamten E-Mails und SMS , und dann kreuzt du vor Gericht auf und ziehst so eine Nummer ab.« Wenn sie ein besorgtes Gesicht machte, legte sich ihre Stirn in Falten.
    »Ähm, also, die Sache ist die. Vor ein paar Wochen – am 22. Oktober, um genau zu sein, irgendwann am späten Nachmittag …«
    »Ja?«
    »Wurde ich, wie soll ich sagen … wiedergeboren.«
    Sie sah mich argwöhnisch an.
    »Du bist religiös geworden?«
    »Nein! Nein, obwohl ich deinen Worten entnehme, dass ich vorher nicht religiös war, was ich nicht wusste.«
    »Was redest du denn da?«
    »Ich hatte eine dissoziative Fugue und lag eine Woche im Krankenhaus.«
    »Du hattest was?«
    »Das heißt, dass mein Gehirn sämtliche persönlichen Erinnerungen gelöscht hat. Ich wusste weder, wie ich heiße, noch wer ich war, von meinen Freunden und Verwandten ganz zu schweigen. Ich habe meine Erinnerungen noch immer nicht zurück. Man hat mir gesagt, dass wir fünfzehn Jahre

Weitere Kostenlose Bücher