Der Mann, der sich in Luft auflöste
hat«, meinte Martin Beck nach einer Weile.
Szluka stand auf und griff nach seiner Aktentasche.
»Wie gesagt, solange er eine gültige Aufenthaltserlaubnis besitzt, kann ich in dieser Sache weiter nichts unternehmen«, erklärte er.
Martin Beck erhob sich ebenfalls.
»Bleiben Sie ruhig sitzen«, sagte Szluka. »Ich muss leider gehen. Aber wir werden uns sicherlich nochmal begegnen. Auf Wiedersehen.«
Sie gaben sich die Hand, und Martin Beck schaute Szluka nach, wie er mit seiner Aktentasche davonwatete. Man sah ihm nicht an, dass er zum Frühstück immer vier Scheiben Speck aß. Als Szluka fort war, ging Martin Beck zu dem großen Becken. Das warme Wasser und die Schwefeldämpfe hatten ihn schläfrig gemacht, deshalb schwamm er eine Weile in dem klaren, erfrischenden Wasser, bevor er sich am Beckenrand in die Sonne stellte und sich von ihr trocknen ließ. Dabei beobachtete er zwei todernste Männer, die im seichten Teil des Beckens standen und sich einen roten Ball zuspielten. Dann ging er sich anziehen. Er war ratlos und verwirrt. Das Treffen mit Szluka hatte ihn nicht klüger gemacht.
11
Nach dem Bad erschien die Hitze nicht mehr ganz so drückend. Martin Beck sah keinen Grund, sich zu überanstrengen. Er schlenderte die Wege der weitläufigen Grünanlage entlang, blieb oft stehen und schaute sich um. Sein Beschatter war nirgends zu entdecken. Vielleicht hatte man endlich eingesehen, wie ungefährlich er war, und die Überwachung eingestellt. Andererseits wimmelte es auf der Insel von Leuten, und es war schwierig, jemand Bestimmten in dem Gewühl auszumachen, vor allem, wenn man nicht wusste, wie der Betreffende aussah. Er ging auf der Ostseite der Insel zum Wasser hinunter und folgte dem Uferweg in Richtung eines Landungsstegs, wo alle Schiffe, mit denen er bisher gefahren war, angelegt hatten. Er glaubte sich sogar an den Namen der Station zu erinnern: Casino.
Entlang der Uferböschung oberhalb der Anlegestelle standen zahlreiche Bänke, hier und da mit Leuten besetzt, die auf das Schiff warteten. Auf einer dieser Bänke saß eine der wenigen Personen, die er in Budapest kannte. Das Mädchen aus dem Haus in Üjpest. Die schreckhafte Ari Boeck, mit Sonnenbrille, Sandalen und im weißen Trägerkleid. Sie las ein deutsches Taschenbuch, und neben ihr auf der Bank lag ein Einkaufsnetz aus Nylon. Sein erster Gedanke war, einfach vorbeizugehen, aber dann überlegte er es sich anders, verlangsamte seinen Schritt und sagte:
»Guten Tag.«
Sie hob den Blick von ihrem Buch und sah ihn verständnislos an. Dann schien sie ihn zu erkennen und lächelte. »Ach, Sie sind's! Haben Sie Ihren Freund gefunden?«
»Nein, noch nicht.«
»Ich habe über die Geschichte nachgedacht, nachdem Sie gestern gegangen waren. Ich begreife nicht, wie er Ihnen meine Adresse geben konnte.«
»Das verstehe ich auch nicht.«
»Ich habe sogar gestern Abend noch darüber nachgegrübelt«, sagte sie, die Augenbrauen gerunzelt. »Ich konnte kaum einschlafen.«
»Ja, es ist eigenartig.«
(Überhaupt nicht, meine Liebe, es gibt eine ganz natürliche Erklärung.
Erstens hat er mir nie eine Adresse gegeben. Und zweitens ist es vermutlich folgendermaßen abgelaufen: Er hat dich in Stockholm schwimmen sehen und sich gedacht, was für ein leckeres Mädchen, mit der würde ich gern mal... ja, genau das. Und als er dann ein halbes Jahr später hierhergekommen ist, hat er deine Adresse ausfindig gemacht, aber keine Zeit gehabt, hinzufahren.)
»Wollen Sie sich nicht setzen? Zum Stehen ist es heute fast zu heiß.«
Er setzte sich, während sie das Einkaufsnetz beiseiteschob. Zwei Sachen darin erkannte er wieder, nämlich den dunkelblauen Bikini und die Taucherbrille aus grünem Gummi. Außerdem lagen ein zusammengerolltes weißes Frotteehandtuch und eine Flasche Sonnenöl im Netz.
(Martin Beck, der geborene Detektiv und berühmte Observierer, ständig damit beschäftigt, sinnlose Beobachtungen zu machen und sie für alle Fälle zu speichern. Er kommt nicht mal auf dumme Gedanken - dafür ist bei all dem Gerumpel in seinem Kopf gar kein Platz!) »Warten Sie auch auf das Schiff?«
»Ja«, antwortete er. »Aber wir müssen vermutlich in unterschiedliche Richtungen.«
»Ich habe nichts Besonderes vor. Eigentlich wollte ich nach Hause.«
»Waren Sie baden?« (Schlussfolgerungskunst.) »Ja, natürlich. Wieso?«
(Berechtigte Frage.)
»Wo haben Sie denn Ihren Freund heute gelassen?« (Was geht mich das an? Oh, pure Vernehmungstaktik.) »Tetz? Der
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