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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs
Autoren: Mikael Niemi
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locker. »Die müssen Sie doch irgendwo aufgeschrieben haben, oder?«
    Sie hob den Blick, schaute durch die Autoscheibe auf den sich langsam verziehenden Rauch.
    »Alles brennt«, sagte sie.
    »Nun gut, wir werden es schon herausbekommen. Sein Nachname ist sicher der gleiche wie Ihrer?«
    »Das ist nicht der gleiche.«
    »Nein, wie heißt er dann?«
    »Verschieden.«
    »Was heißt das, verschieden? Ich brauche den Nachnamen Ihres Sohnes, das müssen Sie doch begreifen.«
    Er wurde langsam wütend. Sie führte ihn an der Nase herum. Wollte ihm nicht helfen.
    »Ihr findet ihn nicht«, sagte sie und seufzte fast erleichtert.
    »Früher oder später finden wir ihn doch.«
    »Er verändert sich.«
    »Was?«
    »Er ist nie der Gleiche. Aber schreiben Sie auf.«
    »Was soll ich aufschreiben?« Sie faltete würdevoll ihr Taschentuch zusammen. »Schreiben Sie den Namen auf. Wenn Sie wollen. Schreiben Sie Pettersson.«
     

46
     
    Ånderman saß da und hämmerte auf seine gusseiserne Remington, die er nur zu besonderen Anlässen benutzte. Die Tasten knallten wie die chinesische Trommelgruppe in Hongkong während seiner Liebesreise, Ba-ba-ba-bam, um Dämonen und böse Geister zu verscheuchen. Sie waren zum chinesischen Neujahrsfest angekommen, und er stand mitten in der phantastischen Feier unter Neonschildern, eine frisch frittierte Frühlingsrolle in Seidenpapier in der Hand. Die war so heiß, dass er sie noch gar nicht essen konnte, die Hitze strömte durch das Zahnemail, wenn er versuchte abzubeißen. Kurzgeschorene chinesische Jungen rannten in der Menschenmenge unter den Wolkenkratzern hin und her und brachten Pulverbomben an. Sie brannten wie Sonnen und verwandelten sich in grell heulende Spiralen, in wabernden Nebel, der in sich zusammensank und rasselnde Lawinen von Konfetti freigab. Überall Straßenstände, Grillfett, Glückskekse, Glücksbilder mit Kindern, Drachen und knallroten Farben, und Tausende und Abertausende schwarzhaariger Köpfe, die hin und her geschoben wurden wie Eisenfeilspäne. Er hatte mitten in diesem riesigen, wogenden Magnetfeld gestanden, der Rücken war verschwitzt unter der Jacke, und er hatte an seine Krankheit gedacht, an diese nagende, angeschwollene Ratte, die in seinem Fleisch nistete. Sie hatten geschnitten, gehackt, vergiftet, bestrahlt und gebrannt, bis sie aufgehört hatte zu atmen und am Schwanz herausgezogen werden konnte. Zalazar hatte sie auf ein Metalltablett unter ein Tuch gelegt, sie hatte fragend ihre schön geschwungenen Augenbrauen über dem Mundschutz gehoben, und er hatte genickt, dass sie das Tuch anheben sollte. Da lag es entrollt da, es hatte sich fett und prall in ihm gefressen und lag jetzt festgeklemmt da nach dem Todeskampf. Die Haut war nackt und glatt, es fehlte ein Fell, aber es hatte ein Bündel von Nerven oder Adern, die sie versucht hatte, auf dem Rücken zurechtzulegen.
    »Ich dachte mir, dass du es sehen willst«, sagte Zalazar.
    »Oh«, flüsterte er.
    »Manche wollen es. Ich habe angenommen, dass du zu denen gehörst.«
    »Ich möchte es anfassen«, bat er.
    Sie zögerte. Schaute nach rechts und nach links, doch da gab es nur die Anästhesieschwester, die sich ihren Mundschutz abnahm und vorgebeugt etwas im Krankenblatt notierte. Er streckte seine Fingerspitze aus und berührte das Biest. Es war immer noch warm. Erstaunlich hart. Bucklig durch kleine Verknotungen im Körper, wie von einem scharfen Rückgrat drinnen.
    Dann nahm er es hoch. Er hob es mit Zeigefinger und Daumen in die Luft. Plötzlich zuckte es. Es wand sich in einem kurzen Krampf, öffnete das Maul und ließ einen langen Speichelfaden heraus. Er kniff fester zu, spürte, wie der Widerstand verschwand.
    »Du wolltest mich umbringen«, fauchte er.
    Dann biss er fest in den zersplitternden Schädel.
    Es schmeckte nach Kohl und Krabben. Frühlingsrolle. Kochendheiße Frühlingsrolle.
    Eine plötzlich aufkommende Abendbrise zog vom Südchinesischen Meer heran, bahnte sich seinen Weg um alle Wolkenkratzer herum zum Statue Square und brachte eine breite Woge von Saragossa mit sich, von würzigen Meereslilien mit wogenden, meterlangen Blütenblättern und Meeresjungfrauenhänden.
    »Du bist eunuchisch«, stammelte Zalazar.
    Ihre Lippen waren an seinen Ohrläppchen, Anemonen aus rotem, salzigem Blut. Er drehte sich um, ihr Haar trug sie offen, es schwamm im Meer, Ysatis und schäumende Ambra, sie war heiß und hatte ihren dünnen Umhang aufgeknöpft, und sie war so wütend, dass sie
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