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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs
Autoren: Mikael Niemi
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zitterte.
    Verzeih mir, dachte er. Wenn ich sie um Verzeihung bitte, verlässt sie mich. Sie hielt das Matadorschwert mit gehobenen Armen, wenn er sich bewegte, würde sie es ihm in den Nacken rammen, siebzig Zentimeter Chirurgenstahl durch Knorpel und Nerven, und dann würde sie sich rittlings auf seinen Todesständer, seinen zum Bersten gespannten, sterbenden Penis setzen.
    »Komm mit mir«, flehte er, den letzten Rest der Frühlingsrolle kauend, den harten, frittierten Teigkloß ganz am Ende.
    An einem auch abends geöffneten Straßenstand fand er es. Eine fette Chinesin kroch unter den Tresen und holte das hervor, wonach die Radfahrer in Hongkong immer fragten. Ein Mundschutz gegen Abgase. Er legte ihn mit verzweifeltem Ernst Zalazar an. Sie blieb regungslos stehen und starrte ihn im flackernden Feuerwerkslicht an. Die dünne Membran pulsierte leicht, ganz leicht unter ihren Atemzügen. Die Feuerwerksexplosionen und Raketen, eine neue Zeit, ein neuer Versuch zu leben. Er beugte sich vor und küsste sie zärtlich.
    Zalazar nahm den Mundschutz ab. Ihre Wut war verschwunden. Sie faltete ihn schweigend zusammen, schob ihn zurück in das Plastikfutteral mit der chinesisch-englischen Gebrauchsanweisung und gab ihm das Päckchen zurück. Dann drehte sie sich um, breitete die Arme aus und tauchte Hals über Kopf ins Festgewimmel ein, wurde von dem rot gekleideten asiatischen Millionengewühl aufgesogen und verschwand. Er begriff, dass es vorbei war. Es war abgeschnitten, vorbei. Es war nicht wieder zurückzubekommen.
     

47
     
    In der sich wiegenden Buchenkrone gut zwölf Meter hoch, vollständig unsichtbar für alle, die auf dem Boden zufällig vorbeigingen, wachte Jan Evert Herdepalm mit einem Ruck auf. Er starrte hinauf in das wogende Laubdach. Afrika, dachte er verwirrt. Schlaftrunken zog er sich im Schlafsack auf die Ellbogen hoch, eingeklemmt in sein quehto, diese afrikanische Seilplattform, die zu knoten ihm der schwarze Lagerleiter am Lake Iteshi-Teshi beigebracht hatte. Mit nur zwanzig Meter Seil konnte man sich in wenigen Minuten einen skorpionsicheren Schlafplatz überall im Regenwald schaffen, ein altes Jägerwissen, das über Generationen vererbt worden war.
    Der Traum saß ihm immer noch in den Knochen. Jan Evert hatte das unangenehme Gefühl, dass jemand hier gewesen war. Dass sich eine Gestalt schweigend über ihn gebeugt hatte, ihn von oben wortlos betrachtet hatte. Und dann war da ein Haus gewesen. Ein alter Stall.
    Jan Evert griff nach seinem Handy, zögerte dann jedoch. Ich mache mich bestimmt lächerlich, dachte er. Die werden glauben, ich bin ein Idiot.
    Einige Minuten lang betrachtete er den Buchenwald mit seinem mächtigen, weit verzweigten Laubdach, in alle Richtungen umgaben ihn Blätter. Ich habe in einem Buch geschlafen, dachte er. Aber ich bin aufgewacht. Jemand muss mich aufgeblättert haben.
    Dann holte er tief Luft und tippte die Nummer von Sonny Rantatalos  Handy  ein.  Nach wenigen  Freizeichen  wurde geantwortet. Im Hintergrund war ein Außenbordmotor im Leerlauf zu hören.
    »Es geht um Martin Udde«, sagte Jan Evert nervös. »Ich bin sein Neffe, wie Sie sich vielleicht erinnern …«
    »Ja, und?«
    »Es klingt vielleicht komisch, aber ich habe geschlafen. Und da habe ich das Bild eines alten Stalls gesehen. Ich habe es ganz deutlich gesehen, er war rot angestrichen mit Sprossenfenstern, und hinter den Fenstern hing getrockneter Tanacetum vulgare in Bündeln, ja, also Rainfarn, renfana auf Schwedisch.«
    »Rainfarn«, notierte sich Sonny mit dem Zimmermannsbleistift auf einem Ruderblatt.
    »Und drinnen stand alles Mögliche, Kameras, Autoradios, Extrascheinwerfer, Computerbildschirme und so ein Gartenzwerg aus Gold.«
    »Aus Gold?«
    »Ich weiß nicht, ob es so was gibt, aber in meinem Traum sah er so aus. Und dann war da jemand, der mir alles zeigte, ja, sozusagen ein Schatten, ist auch nicht so wichtig … jemand, der mir alles zeigte.«
    »Wir sind also immer noch in Ihrem Traum?«
    »Ja, und er zeigte mir eine Luke in der Stallwand. Es muss die alte Mistluke gewesen sein, aber sie war orangegelb angemalt. Ich bin durch die Luke nach draußen geklettert, und dann bin ich zwölf Schritt in Richtung zum Pumpenschwengel gegangen. Also ungefähr zwölf Meter.«
    »Zum Pumpenschwengel?«
    »Ja, eine alte Stange mit Gegengewicht, wie man sie früher benutzt hat, um damit Wasser hochzupumpen. In die Richtung habe ich zwölf Schritte gemacht. Und da war etwas unten in der Erde. Ja
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