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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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weil er keine Ahnung hatte, was man dafür sonst verwendet.
    »Du musst den Schneebesen nehmen«, sagte Denise.
    »Oh. Und wo ist der Schneebesen?«
    »In der Schublade.«
    »Aha. Und in welcher Schublade?«
    »Das sage ich dir nicht.« Denise spielte weiterhin provokativ mit dem Butterbrot. Sie sah ihren Vater prüfend an, in ihrem trotzigen Gesicht spiegelte sich Neugier. Wann würde er wohl reagieren und ihr Grenzen setzen? »Rate mal!«
    »In dieser vielleicht?«, ging Röhrdanz mit äußerster Selbstbeherrschung auf das Spiel der fast Vierjährigen ein.
    »Nein. Kalt.«
    Röhrdanz zog die nächste Schublade auf. »In dieser?«

    »Du darfst sie nicht aufmachen! Du musst raten!«
    Währenddessen hatte das einjährige Baby eine Brotkruste zu fassen gekriegt. Quietschend versuchte Philip, sie sich in den hungrigen Mund zu schieben.
    »Warte, Philip, dein Brei ist gleich fertig.«
    »Rate!«, forderte ihn Denise auf. Die ungeteilte Aufmerksamkeit ihres Vaters wollte sie so schnell nicht hergeben. Die Kleine spürte genau, dass dieser sich in einem Ausnahmezustand befand. Und mit weiblichem Instinkt versuchte sie, das für sich auszunutzen.
    Röhrdanz nahm dem Baby die Brotkruste aus der Hand. »Das schaffst du noch nicht. Du hast ja noch keine Zähne.«
    »Hat er wohl!«
    »Aber noch keine für so eine Kruste!«
    Philip begann wütend zu kreischen. Tränen und Rotz quollen ihm aus Augen und Nase. Röhrdanz eilte mit dem Breiteller herbei und setzte sich zu dem brüllenden Kerl. Erschöpft schob er dem Kleinen sofort einen Löffel in den weit aufgerissenen Mund und verbrannte Philip mit dem kochend heißen Brei das Mäulchen.
    Er spuckte, rang nach Luft, lief dunkelrot an und brüllte umso lauter. Tränen der Wut und des Schmerzes schossen ihm aus den Augen.
    »Oh, Scheiße!« Röhrdanz riss den Teller weg, die Hälfte des Breis landete auf dem Küchentisch.
    »Verdammt!«
    »Sagt man nicht!«, triumphierte Denise.
    Philips Brüllen wurde verzweifelter.
    »Musst du erst rühren. Mit dem Schneebesen.«

    »Und wo ist der?«
    »Du sollst raten!«
    Von unten klopften bereits die Nachbarn an die Decke.
    Röhrdanz fuhr sich verzweifelt durch die Haare.
    »Angela«, stöhnte er leise. »Ich schaff das nicht!«
    Denise kletterte plötzlich von ihrem Stuhl, lief zielstrebig zur Schublade rechts neben der Spüle, angelte den Schneebesen heraus und rührte ebenso hilfsbereit wie ungeschickt in dem Brei herum.
    »Da. Ist doch ganz einfach.«
    Sie schob sich dicht neben ihren schreienden kleinen Bruder, drückte ihm kindlich grob einen Löffel Brei in den Mund, und plötzlich war Philip still.
    Das Klopfen der Nachbarn verstummte. Auf einmal war es so still in der Küche, dass sich Röhrdanz wie erlöst fühlte. Nur der Sturm heulte noch, aber kein Blatt blieb mehr am Küchenfenster kleben.
    Röhrdanz blinzelte verlegen eine Träne weg, während er die Schweinerei auf dem Tisch beseitigte. »Tut mir leid. Ich wollte nicht Scheiße sagen. Und dir wollte ich auch nicht wehtun, Kleiner.« Er strich seinem Söhnchen verlegen über den Kopf. »Der Papa ist halt noch nicht so geübt im Haushalt.«
    »Wohin ist die Mama verreist?«, fragte Denise plötzlich und streichelte zärtlich die unrasierte Stoppelwange ihres Vaters.
    Röhrdanz setzte sich, den triefenden Lappen in der Hand.
    »Ins Land der Träume«, sagte er schließlich. Der zweiten
Träne konnte er nicht mehr Herr werden. Sie tropfte aus rot umrandeten, völlig übermüdeten Augen in den Küchenlappen.
    »Hat sie das Baby im Bauch mitgenommen?«
    »Hm-hm.« Röhrdanz nickte stumm. Ein Schluchzer schüttelte ihn. »Aber das schläft auch nur. Babys müssen ja viel schlafen.«
    »Warum heulst du dann, Papa? Wenn sie nur schläft?«
    »Vielleicht schläft sie ziemlich lange.« Röhrdanz sah seine aufgeweckte Dreijährige prüfend an. »Ich will gar nicht weinen, Denise. Aber wir müssen zusammenhalten, ja? Du musst mir hier mit dem Baby helfen.«
    »Wo schläft sie denn? Im Bett ist sie nicht.«
    »In einem Schlafparadies. Da passen Ärzte und Schwestern auf, dass sie nicht gestört wird.«
    »Sie kann doch hier schlafen. Ich bin auch ganz leise, und Philip auch …« Denise legte den Finger auf den Mund ihres kleinen Bruders.
    »Nein, Denise. Sie schläft noch viel tiefer. Und viel länger.« Röhrdanz blinzelte erneut eine Träne weg und sah hilfesuchend an die Decke.
    »So lange wie Dornröschen?« Denise stopfte nun ganz fasziniert ein Stück ihres malträtierten Brots in

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