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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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hervor und drückte Röhrdanz nur stumm die Hand.
    Röhrdanz konnte die Gedankenblasen, die zwischen ihnen hin und her schwebten, förmlich sehen. Dann verschwand sie hinter ihrem Tresen und füllte irgendwelche Listen aus.
    »Sie sollten mir aber glauben. Schon in Ihrem eigenen Interesse. Ich sehe ja, was für naive Vorstellungen Sie sich hier machen. Sie hocken stundenlang an ihrem Bett und reden auf die arme Frau ein«, sagte der Arzt.
    »Ja! Damit sie sich erinnert und zurückkommt!«
    »Vergessen Sie’s! Das ist verlorene Liebesmüh!«
    »Sie muss doch unser Kind zur Welt bringen!«
    »Das können Sie sich erst recht aus dem Kopf schlagen! Das Kind stirbt mit Ihrer Frau! Was muss ich noch tun, damit Sie mir endlich glauben?« Der Oberarzt setzte sich nun mit einer Pobacke auf die Fensterbank. »So gut wie kein Patient, der länger als vierundzwanzig Stunden im Wachkoma liegt«, er zeichnete Gänsefüßchen in die Luft, »kehrt wieder zurück. Und die Vorstellung, Ihre Frau könnte in diesem Zustand noch ein Kind zur Welt bringen, ist geradezu absurd.« Er sah kopfschüttelnd aus dem Fenster. »Ausgeschlossen. Ganz ausgeschlossen.«
    Schwester Gisela schaute zu ihm herüber, widmete sich dann aber wieder ihren Listen.
    »Sprechen Sie bitte etwas leiser! Sie kann uns doch hören!«, flehte Röhrdanz.
    »Sie dämmert vor sich hin, wir haben ihr die höchste Dosis Valium gegeben, die wir verantworten können.

    Denn noch ist sie ja tatsächlich schwanger«, belehrte ihn der Arzt, ohne auch nur ein bisschen die Stimme zu senken. »Was ja eigentlich schon ein Wunder ist.«
    Schwester Gisela huschte an ihnen vorbei, um nach Angela zu sehen. Der Blick, den sie dem Oberarzt dabei zuwarf, enthielt nichts als Abscheu.
    »Ich werde die Bild-Zeitung anrufen«, sagte Röhrdanz plötzlich. Sein Herz hämmerte, aber er versuchte, ruhig zu bleiben.
    »Sie werden … was?!«
    »Vielleicht helfen die mir, einen Arzt zu finden, der Angela heilen kann.«
    Der Oberarzt sprang beleidigt auf. »Sie sind wohl nicht ganz bei Trost!«, polterte er los. »Jetzt hängen Sie das Ganze auch noch an die große Glocke! Wollen Sie damit berühmt werden, oder was? Wollen Sie die Journalisten vielleicht noch ans Krankenbett Ihrer Frau bitten? Sollen die alle noch ein schönes Foto von ihr machen? Dann ist sie morgen auf dem Titelblatt!« Seine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus.
    Röhrdanz schoss die Schamesröte ins Gesicht. Ihm blieb die Luft weg. »Quatsch, Mann!«, entfuhr es ihm zutiefst verletzt. »Ich will nur einen Arzt finden, der Angela wenigstens eine Chance gibt!« Aufgebracht und wütend, wie er war, vergaß er selbst zu flüstern.
    »Was sind Sie nur für ein Idiot!« Der Oberarzt wischte sich mit dem Kittelärmel den Schweiß von der Stirn. »Jetzt will ich Ihnen mal was sagen. Wenn Sie auf der ganzen weiten Welt«, er bohrte Röhrdanz seinen Zeigefinger in die Brust, »einen einzigen Arzt finden, der mit
dem Apallischen Syndrom mehr Erfahrung hat als wir hier in Düsseldorf, und wenn dieser Arzt Ihnen berechtigte Hoffnungen macht, dass er Ihre Frau ins Leben zurückholen wird, fliege ich mit Ihnen beiden auf eigene Kosten dorthin! Von mir aus sogar bis nach Timbuktu!« Der Arzt breitete mit theatralischer Geste die Arme aus. »Mexiko! New York! Hongkong! - Finden Sie einen!«
    Röhrdanz konnte sich nur noch mit Mühe beherrschen. »Ich finde ihn«, murmelte er trotzig. »Verlassen Sie sich drauf.«
    »So«, schnaubte der Oberarzt. »Also bitte, es bleibt dabei. Geben Sie mir eine Adresse, wo Ihrer Frau geholfen wird, und ich packe Sie eigenhändig in den Nothubschrauber und fliege mit Ihnen dahin.«
    Röhrdanz steckte seine Hände in die Hosentaschen und schwieg. Seine Wangen brannten, als hätte der Oberarzt ihm ins Gesicht geschlagen.
    »Sie glauben wohl, dass ich Ihrer Frau nicht helfen WILL«, dröhnte der Oberarzt. »KEINER kann Ihrer Frau helfen. Sie brauchen gar nicht erst versuchen, irgendeinen Arzt zu finden, der das besser kann als ich. Den gibt es nämlich nicht.«
    Tränen brannten in Röhrdanz’ Augen, aber er wollte vor diesem Mann nicht weinen.
    »Man darf die Hoffnung niemals aufgeben«, stammelte er. »Die Hoffnung stirbt zuletzt.«
    »Und jetzt setze ich Ihnen eine Frist von sechs Tagen«, schnitt der Mann ihm das Wort ab. »Wenn Ihre Frau die nächsten sechs Tage überlebt, wovon ich nicht ausgehe, wird man sie zum Sterben zurück nach Leverkusen
verlegen. Selbst wenn Sie das Locked-in-Syndrom hätte, also bei

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