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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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in deinem Bauch geht es gut.« Er wischte sich über die Stirn, weil ein Schweißtropfen daran herunterperlte. »Ja. Das ist doch mal eine gute Nachricht, was?«
    Aus Angelas rechtem Auge löste sich eine Träne. Sie rann die Wange hinab und versickerte in dem weißen Verband, der um ihren Kopf geschlungen war.
    Röhrdanz starrte fasziniert darauf, sein Herz begann wieder zu rasen. »Du kannst mich hören, Liebes … du verstehst mich. Du bist bei mir!«
    Eine zweite Träne suchte sich ihren Weg in den Mull.
    »He! Nicht weinen! Wird ja alles gut …« Röhrdanz tupfte ihr mit unendlicher Vorsicht die Wange ab.
    »Herr Röhrdanz, ich glaube, fürs Erste ist es genug …« Schwester Gisela war fast lautlos hinter dem Vorhang erschienen und nahm ihn sanft am Arm. »Ihre Frau muss sich ausruhen.«
    Schon wieder erschien die Person mit dem dünnen Schlauch, saugte Schleim aus Angelas Mund.
    »Sie hört mich!«

    »Ausschließen kann man das nie …« Schwester Giselas Stimme war sanft und tröstlich.
    »Ja, aber … Dann ist sie doch … Ich meine, dann wird sie doch …«
    »Pssst, Herr Röhrdanz. Ihre Frau braucht Ruhe!«
    »Nein. Meine Frau braucht MICH!«
    »Bitte, nicht vor der Patientin!«
    Die Schwester zog ihn mit sanfter Gewalt aus dem winzigen Raum. »Nehmen Sie doch Rücksicht! Bitte, Herr Röhrdanz. Gönnen Sie ihr Ruhe.«
    »Aber sie hört mich! Sie ist am Leben! Sie braucht mich …«
    Röhrdanz wurde weitergezogen. Am Ende des langen Ganges standen ein paar Stühle.
    »Setzen Sie sich. Sie sind ja ganz durcheinander …« Schwester Gisela reichte ihm ein Glas Wasser, das er mechanisch trank.
    »Sie hört mich.«
    »Darüber gehen die Meinungen auseinander.«
    »Sie ist noch lange nicht tot!«, sagte er schroff und umklammerte das Glas so fest, dass es beinahe zersprang.
    »Sie wird zurzeit künstlich am Leben erhalten«, sagte die Schwester höflich.« Zeigte sie eine Spur von Mitgefühl? Oder war das hier alles nur Routine?
    Röhrdanz starrte sie an. »Schwester Gisela. Bitte. Helfen Sie mir. Ist das gut für sie? Ich meine, tut ihr das weh?«
    »Das müssen Sie mit dem Oberarzt besprechen.«
    »Aber der Mann ist … ein Unmensch!«, flüsterte
Röhrdanz aufgebracht, und Schwester Gisela wurde rot. Ihre Lippen zuckten unmerklich.
    »Sagen Sie es mir!«, drängte Röhrdanz. »Leidet sie?«
    Die Schwester senkte den Blick. »Ich darf Ihnen solche Fragen nicht beantworten. Ich kann es auch gar nicht. Meine Aufgabe besteht darin, die Maschinen zu überwachen. Die Menschen hier auf der Intensivstation schweben alle zwischen Leben und Tod.« Sie wies mit dem Kinn zum Vorhang, hinter dem das kleine Mädchen mit dem Tod kämpfte: »Und für manche ist es besser, wenn man sie gehen lässt.«

7
    »Eines mit Wurst und eines mit Käse. So wie es die kleine Prinzessin wünscht.«
    Röhrdanz saß mit den Kleinen am Küchentisch, in seiner Vierzimmerwohnung im dritten Stock. Draußen heulte der Herbstwind und rüttelte an den Altbaufensterscheiben. Das nasse braune Blatt einer Kastanie blieb kurz am Fenster kleben, wie eine Hand, die noch ein letztes Mal Lebewohl sagen will, bevor sie von der nächsten Sturmbö weggerissen wird.
    »Wann kommt Mama?«, fragte Denise. Sie drückte mit ihren Händchen auf das Butterbrot, das Röhrdanz irgendwie für sie geschmiert haben musste. Er erinnerte sich nicht daran. Philip saß in seinem Kinderhochstuhl und versuchte, nach dem Brot zu greifen.
    »Ich will, dass Mama mir ein Butterbrot macht!«
    »Mama kommt bald wieder«, sagte Röhrdanz mechanisch. Die Milch auf dem Herd stieg blubbernd über den Topfrand, es zischte auf der Herdplatte.
    »Bäh. Das stinkt«, sagte Denise. »Mama soll das machen.«
    »Mama ist verreist«, sagte Röhrdanz, fuhr mit einem Küchenlappen über die Herdplatte und riss die Hand weg, weil er sich verbrannt hatte.
    »Scheiße«, entfuhr es ihm.

    »Sagt man nicht«, belehrte ihn Denise und ließ kokett die Beine baumeln.
    »Stimmt. Sagt man nicht. Nur manchmal.«
    Mit zitternden Händen goss er die kochend heiße Milch in einen tiefen Teller, in dem ein Klumpen Brei zu dampfen begann.
    »Wann, manchmal?«
    »Wenn es wirklich Scheiße ist. Dann.«
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße«, sagte Denise genüsslich. Sie bohrte mit den Fingern Löcher in das Butterbrot. »Das Butterbrot ist scheiße.«
    Das Baby gluckste und zappelte.
    »Ich kann das halt nicht so gut wie Mama.« Röhrdanz verrührte den klumpigen Brei, so gut er konnte. Er benutzte eine Gabel,

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