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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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würde.
    »Ich bin Dr. Zielcke, der Oberarzt der Neurologischen Station. Kann ich Sie einen Moment sprechen?« Er drückte Röhrdanz schlaff die Hand.

    »Natürlich.« Röhrdanz glitt zur Tür hinaus, nicht ohne Angela eine Kusshand zuzuwerfen: »Bin gleich wieder bei dir.«
    »Herr Röhrdanz, ich habe schon gehört, wie rührend Sie sich um Ihre Frau kümmern«, sagte der Oberarzt mit einer hellen Fistelstimme, doch es klang gönnerhaft, ja vielleicht schwang sogar so etwas wie leiser Spott darin mit. »Wir haben Ihnen und Ihrer Frau extra ein Zweibettzimmer gegeben.«
    »Wieso das?«, fragte Röhrdanz arglos. »Zum Schmusen sind wir nicht aufgelegt.«
    »Wir gehen davon aus, dass Sie die letzten Tage im Leben Ihrer Frau an ihrer Seite sein wollen.« Dr. Zielcke schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Und die Nächte natürlich auch. Viele werden es nicht mehr sein. Zwei, drei … höchstens vier. Am Wochenende wird Ihre Frau … Sie wird es hinter sich haben. Und Sie auch.«
    Röhrdanz schluckte. Er stand komplett unter Schock. Sein Gesicht brannte, und die Beine drohten nachzugeben. Irgendwie hatte er gedacht, hier in Leverkusen würde alles besser. »Sie können bei ihr schlafen und sie auf ihren Tod vorbereiten.«
    »Tja, also … danke«, stotterte er schließlich.
    »O bitte, gerne, keine Ursache. Die Kassen übernehmen das sogar.«
    Der Oberarzt deutete auf einen leeren Sessel im Besucherbereich. »Das ist sehr hart für Sie, nicht wahr? Wo Sie doch kleine Kinder daheim haben.«
    »Meine Schwiegermutter kümmert sich um sie.«
    »Immerhin.« Der Oberarzt schlug seine langen Beine
übereinander. So etwas wie Selbstzufriedenheit spiegelte sich in seinem Gesicht. Er wirkte wie jemand in einem Werbespot, der seinen Zahnarztbesuch glimpflich hinter sich gebracht hat und sich erleichtert das Lätzchen vom Hals reißt.
    »Ich verstehe nicht …« Röhrdanz konnte gar nicht glauben, welches Gespräch er hier führte.
    Diskret beugte Dr. Zielcke sich vor. »Ich möchte, dass Sie es Ihrer Frau ins Ohr sagen. Ganz freundlich. So wie Sie immer mit ihr sprechen.«
    »Dass ich meiner Frau was sage?«
    »Dass sie stirbt.« Dr. Zielcke wirkte plötzlich angespannt. »Das ist es doch, worüber wir hier reden?«
    »Ich soll ihr sagen … Ich meine, Sie wollen, dass ich ihr SAGE … Schatz, du krepierst, wir stellen jetzt die Apparate ab, du erstickst und verhungerst, aber mach dir nichts draus, ist alles nicht so schlimm?«
    »Ja. Sie spürt es sowieso. Und sie will sterben, glauben Sie mir!«
    »Das will sie nicht! Sie ist Mutter! Sie ist schwanger! Sie will leben!«
    »Wir sind uns alle einig, dass Sie es ihr in aller Liebe sagen sollen. Normalerweise macht das einer von uns Ärzten, aber nachdem Sie sich so rührend um Ihre Frau kümmern …«
    Eine Weile saß Röhrdanz bewegungslos da und starrte den Oberarzt an.
    »Herr Doktor«, sagte er schließlich und beäugte sein Gegenüber wie ein unheimliches Insekt. »Erst hieß es, sie kann mich gar nicht verstehen, und jetzt soll ich sie
plötzlich auf den Tod vorbereiten. Sie stirbt nicht! Sie wird das schaffen! Sie kriegt ein Kind!« Die Worte quollen nur so aus seinem Mund. »Sie ist jung, hat schon zwei Kinder bekommen und meine zwei Großen übernommen, sie hat unheimlich viel Kraft - die packt das, glauben Sie mir!«
    Der Oberarzt versteifte sich. »Sie scheinen wirklich nicht zu begreifen …« Er starrte Röhrdanz ein paar Sekunden lang an, als wäre er nicht ganz bei Trost. Er spielte an seinem Stethoskop herum, und seine langen, dünnen Fingern wollten gar nicht mehr zur Ruhe kommen. »Sie ist dem Tod schon näher als dem Leben, und das hat mein Kollege in Düsseldorf Ihnen auch schon in aller Deutlichkeit gesagt! Vergessen Sie das Baby, vergessen Sie Ihre törichten Hoffnungen. Es ist rührend, wie sehr Sie Ihre Frau lieben, aber wir Mediziner haben die Aufgabe …«
    »Hören Sie«, unterbrach Röhrdanz den arroganten Schnösel. »Wann kann ich den Chefarzt sprechen?«
    »Der Chefarzt wird Ihnen auch nichts anderes sagen.« Herablassend lächelte der Oberarzt Röhrdanz an. »Wenn Professor Leyen wieder hier ist, wird es bereits vorbei sein. Wir werden die Apparate abstellen, um ihr den Übergang zu erleichtern. Der Kollege aus Düsseldorf hat mich schon unterrichtet, welches Medikament wir verabreichen können, damit sie ganz sanft hinübergleitet.«
    Röhrdanz hielt seinem Blick eisern stand.
    »Sie gleitet nirgendwohin.«
    Der Oberarzt starrte zurück.

    »Bevor der

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