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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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gehemmt. Das Kind wird mit großer Wahrscheinlichkeit
schwerbehindert sein! Können Sie das als Vater schaffen?«
    Röhrdanz ignorierte diese Frage. Er konnte sich einfach nicht damit abfinden, wollte immer nur einen Schritt vor den nächsten setzen.
    »Angela darf aber nicht leiden! Was kann ich für sie tun?«
    Professor Leyen zuckte die Achseln: »Letztlich, was Sie schon die ganze Zeit für Ihre Frau tun. Reden Sie mit ihr, lesen Sie ihr was Lustiges vor, erzählen Sie ganz normale Dinge aus Ihrem Alltag. Trotzdem: Der Tod wäre höchstwahrscheinlich eine Erlösung für sie.«
    »Sie schafft das, Herr Professor. WIR schaffen das! Ich weiß, sie würde das durchstehen wollen. Sie würde nicht aufgeben! Ich kenne meine Frau!« Röhrdanz sah ihn flehentlich an.
    »Wir werden ab sofort einen Gynäkologen hinzuziehen«, sagte Professor Leyen entschlossen. »Dr. Mettmann von der Geburtshilfeabteilung ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Er wird ab sofort jeden Tag nach Ihrer Frau und dem Baby sehen. Es sind Herztöne zu hören, und das Baby lebt - so erstaunlich das auch für uns ist.«
    »Dann glauben Sie also auch, dass sie es schaffen wird?« In Röhrdanz’ Augen schwammen Tränen.
    »Nach meiner Erfahrung ist so etwas zwar noch nicht vorgekommen, aber wir werden es versuchen.« Der Arzt seufzte laut. »Ich respektiere Ihre Hoffnung und auch, dass Sie bis zur Selbstaufgabe um Ihre Frau kämpfen. Andererseits darf ich Ihnen keine falschen Hoffnungen machen. Aber manchmal ist eine riesige Portion Gottvertrauen
genau das Richtige.« Professor Leyen sah Röhrdanz lange schweigend an. Er nickte nachdenklich. Schließlich legte er ihm seinen Arm auf die Schulter. »Der Glaube kann Berge versetzen. Und die Hoffnung stirbt zuletzt.«
     
    V on nun an war Röhrdanz nicht mehr in der Hölle, sondern im Fegefeuer. Der Chefarzt persönlich hatte seine Frau noch nicht für tot erklärt. Er hatte die Hoffnung auf das Baby. Sie würden Angela am Leben lassen. Röhrdanz fühlte sich trotz seiner Sorgen von einer Riesenlast befreit. Sie würden die Apparate nicht abstellen!
    Er schüttelte über sich selbst den Kopf. Und er hatte schon mit dem Pfarrer die Umschläge für die Beerdigung beschriftet!
    Jeden Tag kam er mit neuer Hoffnung zu Angela, brachte ihr Blumen, Bilder von den Kindern, erzählte ihr von den Kollegen in der Firma.
    Sie gaben sie nicht auf!
    Sie unterstützten seinen Kampf!
    Angela lag nach wie vor unter ihren Schläuchen und erhielt nun kalorienreiche Astronautenkost, damit das Baby wachsen und gedeihen konnte. Geübte Schwestern drehten sie mehrmals täglich, damit sie sich nicht wundlag, und der Gynäkologe prüfte die Herztöne des Babys. Alle Ärzte und Schwestern waren verwundert, dass Angela mitsamt ihrem Baby noch lebte. Sie war nun die prominenteste Patientin der Klinik, und unter dem Fachpersonal sprach sich ihr Schicksal schnell herum. Noch nie war auf der Neurologie so etwas vorgekommen: dass
eine Komapatientin ein Kind am Leben erhielt. Das Baby entwickelte sich ganz normal.
    Röhrdanz las Angela jeden Abend aus ihren Lieblingsbüchern vor, und er spürte, dass sie ihn hörte, denn immer wenn er kam, liefen ihr die Tränen aus den Augen. Die küsste er dann weg, liebevoll tupfte er ihre Wangen trocken.
    Eines Tages machte Röhrdanz eine bahnbrechende Entdeckung. Wieder einmal beugte er sich über sie, um zu untersuchen, ob auch keine Fliege, Spinne oder Ameise auf ihr herumkrabbelte. Er schaute sogar in ihren Ohren nach, als er plötzlich wahrnahm, dass sie mit dem rechten Auge blinzelte. So als wollte sie Kontakt zu ihm aufnehmen.
    »Hast du gerade geblinzelt, Liebes?« Röhrdanz wich zurück und starrte ihr ins Gesicht.
    Angela blinzelte wieder.
    »Hast du mir jetzt geantwortet, Angela?«
    Sie blinzelte.
    Röhrdanz kratzte sich am Kopf. »Pass mal auf. Wenn du mich wirklich hören und verstehen kannst, blinzelst du jetzt einmal für ja, und zweimal für nein.«
    Angela blinzelte einmal.
    »Du kannst mich verstehen?! Du kannst mich hören?!«
    Ja, blinzelte Angela.
    Dann starrte sie wieder an die Decke. Sie rührte den Kopf um keinen Millimeter.
    »Hast du … Schmerzen?«
    Nein, blinzelte Angela.

    »Du hast mir geantwortet! Ich verstehe dich! Du kannst mit mir reden!«
    Röhrdanz schossen die Tränen in die Augen, und er musste zum Papierspender an der Wand gehen, um die Fassung wiederzugewinnen.
    Als er sich erneut über Angela beugte, um ihr eine neue Frage zu stellen, liefen ihr bereits die

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