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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Tränen aus den Augen.
    »Belaste dich nicht, mein Schatz. Alles wird gut. Du bist bei mir. Und ich bin bei dir. Und unser Kind ist auch noch bei uns. Glaube an das Leben …«, stammelte er und tupfte ihr mit dem Papiertuch, das er nervös in den Händen zerknüllte, die Tränen ab. »Sag mir nur noch eines … Ist es auszuhalten?«
    Angela starrte an die Decke.
    Dann blinzelte sie zweimal.
    Röhrdanz spürte ein Würgen in der Kehle, ein Schluchzer schüttelte seine Brust, und er stürzte zur Tür hinaus, rannte den langen Flur hinunter und hämmerte an Professor Leyens Tür.

22
    »Frau Röhrdanz, wir haben hier etwas für Sie, das uns die Kommunikation erleichtern kann!« Professor Leyen beugte sich ganz dicht über Angela. Zu Röhrdanz’ Erstaunen sprach er so laut und deutlich, als hätte er es mit einer Taubstummen zu tun.
    »Wir haben hier eine Buchstabentafel für Sie!«
    »Habe ich ihr alles schon erzählt«, brummelte Röhrdanz. Schließlich war es seine Idee gewesen. Horst, der Kollege aus der Grafik, hatte die Tafel mit ihm gemeinsam gebastelt.
    In der ersten Reihe standen die Buchstaben A bis F, in der zweiten Reihe G bis K …
    »… in der dritten Reihe L bis R, und in der vierten Reihe S bis Z!«, redete Professor Leyen mit dröhnender Stimme auf seine Patientin ein. »Können Sie das erkennen?«
    Er hielt die Tafel direkt über ihre Augen, und Angela blinzelte einmal.
    Professor Leyen trat überrascht einen Schritt zurück und drehte sich abrupt zu Röhrdanz um, dem er fast auf die Füße trat.
    »Das ist erstaunlich, ganz erstaunlich! Sie ist bei vollem Bewusstsein!«
    »Habe ich Ihnen ja gesagt«, triumphierte Röhrdanz. »Angela hört jedes Wort!«

    »Frau Röhrdanz, wollen Sie uns etwas mitteilen?«
    Angela blinzelte. Einmal.
    »Dann machen Sie mal«, sagte der Arzt und übergab Röhrdanz die Tafel.
    Nun beugte sich dieser über seine Frau: »Ich zeige jetzt auf die vier Reihen, und in der richtigen Reihe blinzelst du. Ist es A-F?« Keine Reaktion. »G-K?« Auch nicht.
    Angela blinzelte in der dritten Reihe. »Also L bis R.«
    Röhrdanz zeigte auf das L, und Angela blinzelte.
    »Also L.«
    Beim zweiten Buchstaben blinzelte Angela gleich beim A.
    »La …«
    »Das dauert«, sagte Professor Leyen. »Ich werde jetzt nach meinen anderen Patienten sehen, und wenn der Satz fertig ist, rufen Sie mich.«
    Der dritte Buchstabe war ein S. Der vierte auch. Der fünfte war ein T.
    »Lasst …«
    Angela schien überanstrengt zu sein. Sie schaffte es nicht mehr, sich zu konzentrieren. Tränen liefen ihr aus den Augen, und Röhrdanz tröstete sie.
    »Lass dir Zeit, Schatz. Wenn du nicht mehr kannst, machen wir eine Pause.«
    Er kämpfte selbst schon wieder mit den Tränen, ging im Raum auf und ab. Er streichelte sie, hielt ihre Hand, redete ihr gut zu, startete einen zweiten Versuch.
    Zwischenzeitlich kamen wieder Schwestern herein, saugten ihr den Schleim ab, wechselten den Tropf und
brachten sie in eine andere Liegeposition. Sobald sie weg waren, gingen sie wieder an die Arbeit.
    Das nächste Wort, für das sie eine kleine Ewigkeit brauchten, hieß »mich«.
    Wieder machten sie eine Pause, und dann formulierte Angela endlich das dritte Wort.
    Es wurde ein kurzer Satz, und es dauerte insgesamt zwei Stunden, weil sie immer wieder schwächelte. Dann hatte Röhrdanz den Satz zusammen. Er war schlimm und erschreckend.
    Das dritte Wort lautete »sterben«.
    »Lasst mich sterben«, las Röhrdanz von seinem Block laut vor.
    Mit plötzlicher Entschlossenheit strich er ihn sofort mehrmals durch, wie ein Kind, das sein eigenes Gekritzel nicht mehr entziffern kann, und ignorierte einfach, was Angela ihm mitgeteilt hatte.
    »Versuch einen anderen Satz«, forderte er Angela auf. »Dieser hier gilt nicht.«
    »Valium schadet Baby«, war der nächste Satz, den Angela nach einer langen Sitzung formuliert hatte. »Schaffe es auch ohne.«
    »Das bist du, mein Mädchen«, sagte Röhrdanz bewegt. »Ich liebe dich!«
     
    D as Ergebnis präsentierte Röhrdanz stolz Professor Leyen, und dieser war erfreut und überrascht zugleich. Er ließ sofort den Hausschreiner rufen und instruierte ihn, drei große Holztafeln anzufertigen, für jede Wand eine. Ab sofort sollten alle Ärzte, Pfleger und
Schwestern auf diese Weise mit Angela in Kontakt treten.
    Tatsächlich schraubte Professor Leyen die Dosis des Beruhigungsmittels immer weiter herunter, und Angela teilte mit, dass sie es aushalten würde, bis das Baby geboren sei.
    Röhrdanz

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