Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry
Bar.“
Stanley Calvin legte ungeduldig das Buch aus der Hand. „Mach’s kurz“, sagte er schroff. „Was willst du?“
„Ist das so schwer zu erraten?“ sagte Reginald York von oben herab. „Ich brauche Geld. Du verwaltest ja jetzt das Erbe. An wen soll ich mich sonst wenden?“
Stanley Calvin erhob sich. Er wanderte erregt vor dem Kamin auf und ab. „Es scheint dir nicht klar zu sein, wie unsere Verhältnisse wirklich liegen“, raunte er halblaut. „Was an Bargeld da war, muß ich für die Instandsetzung des großen Hauses verwenden. Und sonst . . .“
„Da ist doch noch der Tresor“, warf Reginald York habgierig ein. „Willst du ewig warten, bis die . . . “
„Lassen wir den Tresor einstweilen beiseite“, sagte Stanley Calvin geringschätzig. „Darauf wollen wir uns nicht verlassen. Wir wissen nicht, was er enthält. Du solltest es so machen wie ich: Arbeiten! Das wäre die beste Lösung.“
„Sonst weißt du nichts?“ spöttelte Reginald York. „Arbeiten! Soll ich vielleicht als Kuli ins Hafenviertel gehen?“
„Es gibt andere Möglichkeiten. Du hast studiert. Du fändest überall eine gutbezahlte Stellung.“
„Lassen wir das“, brummte Reginald York abfällig. „Gib mir hundert Pfund. Dann sollst du vorerst deine Ruhe haben.“
„Bedaure“, sagte Stanley Calvin gedehnt. „Ich kann dir nicht soviel geben. Ich habe es einfach nicht.“
„Wirklich nicht?“ fragte Reginald York lauernd.
„Nein, wirklich nicht. Ich habe nur das Gehalt, das ich aus meiner Tätigkeit beziehe. Ich muß davon die Aufwartefrau und alle Lasten bezahlen. Du kümmerst dich ja um nichts. Das Geld geht rasch weg. Es bleibt kaum etwas übrig.“
„Du willst mir also nichts geben?“
„Ich kann nicht.“
Reginald York stieß einen ärgerlichen Fluch durch die Zähne und warf dem anderen einen gehässigen Blick zu. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und schritt hastig auf die Treppe zu, die nach oben führte. Polternd stieß er die Tür zu seinem Zimmer auf. Krachend warf er sie hinter sich zu. Es war ein hübscher Anblick, der ihn erwartete. Inmitten der schwellenden Polstermöbel lag Lucy Fox mit ihrem brandroten Haar und schaute ihm lächelnd entgegen.
„Komm!“ sagte sie lockend. „Du hast mich ziemlich lange allein gelassen. Was gab es denn so Wichtiges zu besprechen?“
„Nichts“, knurrte Reginald York verärgert. „Was kümmerst du dich darum? Diese Dinge gehen dich nichts an.“
„Na, na“, sagte Lucy Fox schmollend und wollte ihn mit ihren weichen Armen an sich ziehen. „Könntest du nicht etwas zärtlicher sein? Warum bin ich denn eigentlich mitgekommen?“
Reginald York blickte zerstreut zu ihr hin. Er übersah ihre verlockenden Formen. Was ihn sonst gereizt und betört hätte, ließ ihn in diesem Augenblick völlig kalt. Er setzte sich in einen entfernten Sessel und vergrub den Kopf in den Fäusten. Minutenlang döste er schweigsam vor sich hin. Die Anwesenheit seiner hübschen Freundin schien er völlig vergessen zu haben.
„Willst du nicht wenigstens etwas zu trinken holen?“ fragte Lucy Fox enttäuscht. Sie richtete sich halb auf. Dabei rutschten die seidenen Träger von ihren Schultern.
Aber auch jetzt blieb Reginald York völlig gleichgültig. Er holte eine Flasche aus dem Keller, entkorkte sie und füllte zwei Gläser.
„Setz dich hierher“, sagte Lucy Fox und rückte bereitwillig zur Seite. Sie war anzusehen wie eine blühende Venus, die zur Erheiterung eines Mannes aus einem alten Gemälde herunterstieg. Aber Reginald York hatte nicht einmal einen Blick dafür. Obwohl er ein Glas um das andere trank, blieb er mürrisch und einsilbig und hatte kein Lächeln für ihre Scherze. Er wollte auch nichts von ihr. Das kränkte sie am meisten. Nach zwei Stunden endlich wurde es Lucy Fox zu dumm. Sie stand auf, zog sich an und warf ihm ein paar abfällige Worte zu. „Ich wollte eigentlich die ganze Nacht bleiben“, meinte sie schnippisch, „aber für einen Holzklotz bin ich mir zu schade. Ich werde mir überlegen, ob ich überhaupt noch einmal hierher kommen soll.“
Mit wiegenden Hüften trippelte sie zur Tür. Dort blieb sie noch einmal stehen. „Willst du mich nicht wenigstens hinunterbegleiten?“ fragte sie gereizt.
„Wozu denn?“ murmelte Reginald York abwesend. „Stanley Calvin ist längst schlafen gegangen. Er wird dich nicht stören. Und das Hausportal findest du auch allein.“
Das war ein billiger Abschied für Lucy Fox. Es kam ihr vor, als hätte
Weitere Kostenlose Bücher