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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Michael in der Kneipe gewesen, von
Tanja erzählte er nichts. Walkwoman hatte über die Feiertage geputzt und hatte
dafür jetzt frei, Rufus war sehr zufrieden mit ihr. Wie ein besorgter Vater
fragte er, was ich so erlebt hätte, und er schien geradezu erstaunt, daß Benedikt
die Entwürfe fertig hatte, und er rief sofort Frau Schnappensiep an und gab mir
den Hörer, damit ich selbst einen Termin mit ihr ausmachte.
    Frau Schnappensiep war
entzückt. Selbstverständlich hätte sie für dieses Ereignis jederzeit Zeit, sie
fiebere den Entwürfen geradezu entgegen, nur ausnahmsweise leider nicht am
Mittwoch, denn diesen Mittwoch hatte ihre Tochter Micki Schulausflug, und Frau
Schnappensiep nahm als Begleitperson daran teil. »Sie wissen, was das
bedeutet«, sagte sie, »aber sonst stehe ich ganz zu Ihrer Verfügung.«
    Ich rief Benedikt an. Ihm war
jeder Termin recht, Hauptsache, er konnte Donnerstagmittag zu seinem Vater
fahren und vorher die Entwürfe präsentieren. Also bekam Frau Hedderich die
Anweisung, für Donnerstag 10 Uhr im Frühstücksnebenraum einen Tisch abzustauben
und Kaffee und Tee bereitzustellen.
    Frau Schnappensiep erschien à
la Landadlige beim Kaffeekränzchen: im Kostüm mit weitem Rock aus sehr teurem
Leinen, dunkelblau mit weißem Blümchenmuster, und einer Bluse mit großem Kragen
aus drei Lagen gerüschter Baumwollspitze. Sie wußte, daß sie der Typ ist, der
einen Spitzenrüschenkragen tragen kann, ohne kitschig zu wirken, und zupfte
liebevoll daran herum, wobei auch ihr bleistiftspitzergroßer Ring mit dem
brillantumkränzten Smaragd sehr gut zur Geltung kam.
    »Ich bin entzückt, den
Star-Architekten endlich persönlich kennenzulernen«, begrüßte sie Benedikt.
    »Das Vergnügen ist ganz
meinerseits, gnädige Frau«, sagte Benedikt. Hätte nur gefehlt, daß er ihr einen
Handkuß gab.
    Die gnädige Frau plauderte
endlos über das endlich eingetroffene Frühlingswetter. Sie fühlte sich wie
neugeboren, kein Mensch könne sich vorstellen, wie sie unter dem Winterwetter
gelitten hätte. Dann sagte sie, nun könne sie ihre Neugier wirklich nicht
länger zügeln und wolle endlich die Entwürfe sehen. »Sie werden sehen, gnädige
Frau, wir haben Ihnen nicht zuviel versprochen«. Benedikt entrollte schwungvoll
einen Plan. Oben stand in exaktester Architekten-Schablonenschrift:
     
    NEUGESTALTUNG HOTELETAGE
    ENTWURF: BENEDIKT M. WINDRICH
    ARCHITEKTURBÜRO FABER
     
    Ich sah auf den Plan und
erkannte nicht, was ich sah. Statt drei großen, zwei mittelgroßen und zwei
kleinen Zimmern rings um den Fahrstuhl sah ich ein Raster gleich großer Rechtecke.
Wo in der Realität ein verwinkelter Flur ist, war auf dem Plan eine gerade
Schneise zwischen vorderen und hinteren Rechtecken.
    »Was ist das?« fragte Frau
Schnappensiep.
    Benedikt lachte: »Ich hab aus
acht Zimmern pro Etage zehn gezaubert. Fünf zur Straßenseite, fünf zur
Hofseite. Es ist mir gelungen, die Kapazität Ihres Hotels um 25 Prozent zu
erhöhen!«
    »Alle Achtung!« sagte Frau
Schnappensiep.
    »Und jedes Zimmer mit
vollwertigem Naßzellen-Komplex. Bad, Dusche, WC und Waschbecken auf 1,75 Meter
mal 1,35 Meter, das sind nur 2,35 Quadratmeter! Die drei Zimmer um den
Fahrstuhl haben nur Dusche, da ist die Naßzelle so kompakt, kompakter geht’s
nicht!«
    »Wie groß sind die Zimmer? Sie
wirken auch sehr kompakt.« Benedikt entrollte den nächsten Plan. Darüber stand:
    EINRICHTUNGSVARIATIONEN
    ENTWURF: BENEDIKT M. WINDRICH
    »Hier sehen Sie es genau: Links
von der Zimmertür ist jeweils der Naßzellen-Komplex, rechts ein Einbauschrank.
Der Wohnbereich beträgt 8,1 Quadratmeter, jeweils zwei Zimmer zur Hofseite
haben sogar 9,45 Quadratmeter. Nur die Zimmer um den Fahrstuhl sind im
Eingangsbereich etwas schmaler. Und in das Zimmer hinter dem Fahrstuhl paßt nur
ein Bett, ein typisches Einzelzimmer eben. Das wird ja auch gebraucht.«
    »Sie wissen gar nicht, wie
recht Sie haben«, sagte Frau Schnappensiep, »wir haben zu 60 Prozent
Einzelgäste.«
    Benedikt sagte nichts dazu —
was hätte er auch sagen sollen? Er erklärte, wie es ihm gelungen war, diese
völlig neue Struktur zu schaffen, daß er dafür zum Beispiel das Flurfenster
versetzt hätte, und der ehemalige Putzraum sei nun Teil eines Zimmers, aber da
unterbrach ihn Frau Schnappensiep: »Und wo ist dann die Wäsche untergebracht?
Und wo das Putzzeug?«
    »Sämtliche Funktionsräume sind
im Keller, ich zeige Ihnen das anschließend im Detail.«
    »Nein, ich kann nicht

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