Der Mann, der's wert ist
schreiben, und wir könnten dort was trinken. Tanja wollte
wissen, ob es sich um leicht oder schwer verdauliche Kultur handelte. Michael
sagte, es sei vermutlich völlig unverdaulich, aber wir kämen umsonst rein. Also
fuhren wir hin.
An der Kasse hing ein Schild:
Ausverkauft. Trotzdem bekam Michael auf seinen Presseausweis problemlos vier
Karten geschenkt. »Das ist nie ausverkauft«, sagte er, »dreiviertel der Karten
sind ständig für Freunde des Hauses reserviert.«
Das Avantgarde-Theater-Zentrum
war ein schwarzer Saal, eingerichtet wie ein Café mit kleinen Tischen, darauf
schwarze Tischdecken. Auf der Bühne ein typisch avantgardistisches Rohrgerüst
für die Beleuchtung und eine gigantische Beschallungsanlage. Selbstverständlich
kein Vorhang. Und auf der schwarzen Bühne nur ein schwarzer Konzertflügel.
Der Kellner sah aus wie ein
Diplom-Schwuler und benahm sich auch so: Er ignorierte uns. Erst als Michael,
als der Kellner zum fünftenmal blicklos an uns vorbeilaufen wollte, mit seinem
Presseausweis winkte, nahm er die Bierwünsche von Michael und Rufus zur
Kenntnis und fragte Michael: »Bekommen die Damen auch was?«
»Sag ihm, ich trinke einen
trockenen Weißwein«, sagte Tanja zu Michael.
»Ich auch«, sagte ich.
»Die Damen wünschen je einen
trockenen Weißwein«, sagte Michael zum Kellner, der nur Michael ansah.
Aber als er die Getränke
brachte, kassierte er sofort, und zwar zuerst bei Tanja. Sie gab ihm keinen
Pfennig Trinkgeld und zählte sogar das Wechselgeld nach. »Ich bin’s gewohnt,
für mich selbst zu zahlen, aber wenn ein Kellner so tut, als müßte ich
zwangsweise selbst bezahlen, ärgert mich das.«
»Er hielt dich für eine Emanze
und hat erwartet, daß du für die Herren mitbezahlst«, sagte Michael.
»Die Emanzen sind auch nicht
mehr das, was sich die Männer wünschen.«
Ich wollte endlich über das
Hotelprojekt reden: »Was die Entwürfe für das Hotel betrifft...«
Sofort unterbrach mich Tanja: »...hat
Benedikt M. Windrich für maximales Geld eine minimale Lösung geboten. Rufus und
ich haben gestern gerechnet und sind zu dem Resultat gekommen, daß die
Renovierung nicht mehr als dreihunderttausend Mark kosten sollte. Das ist auch
eine Menge Geld.«
— Das war nur ein Bruchteil von
den 3,3 Millionen, die Benedikt verplant hatte. Ich wußte nicht, was ich dazu
sagen sollte, gut, daß Tanja mich sowieso nicht zu Wort kommen ließ...
»Mein alter Freund Detlef
meinte auch, ein Hotel für das Dreieinhalbfache des Wertes umzubauen, sei
reichlich übertrieben.« Wie gemein von Tanja, mit Benedikts Kollegen über
Benedikt zu lästern. »Und was hat Detlef sonst alles gewußt?« sagte ich sauer.
»Er hat mich heute nacht
angerufen, wir kamen nur zufällig auf dieses Thema«, sagte Tanja mit
Unschuldsmiene. »Eigentlich hat er angerufen, um Vergangenheitsbewältigung zu
betreiben.« Ich mußte unbedingt vorsichtig sein, durfte Tanja nichts von meinen
Plänen preisgeben, sie tratschte alles weiter. Man stelle sich vor, Benedikt
kommt Montag ins Büro, und Detlef und Angela wissen schon über Tanja, daß wir
demnächst heiraten. Benedikt würde sich überrumpelt fühlen! »Falls es dich
beruhigt«, sagte ich zu Tanja, »ich werde jetzt neue Entwürfe machen. Und ich
mache es billiger. Rufus weiß es schon.«
»Na also«, sagte Tanja.
Michael schrieb in sein
Filofax, demonstrativ desinteressiert an unserem Gespräch.
»Aber ich arbeite nicht zum
Putzfrauengehalt.« Ich sah auf die schwarze Tischdecke, als ich es sagte, damit
niemand merkte, wie aufgeregt ich dabei war.
»Du mußt mindestens soviel
verdienen, wie du bei deinem Onkel verdienen würdest«, sagte Rufus.
Und Tanja sagte: »Für das Hotel
wäre das trotzdem viel billiger. Das Büro Faber würde deine Arbeitsleistungen
mindestens doppelt so hoch in Rechnung stellen.«
»Ja.« Plötzlich war alles so
einfach. »Und wenn mein Onkel mir nicht hilft, Handwerker zu finden, suche ich
selbst welche, und wenn tragende Wände raus müssen, einen andern Architekten.«
»Was hat dein Benedikt dazu
gesagt?« fragte Tanja.
Ich wollte nicht zugeben, daß
er es noch nicht wußte. »Für sein Büro ist das Projekt zu klein, wenn es so
billig sein muß.«
»Ach so.« Tanja sagte es, als
würde sie es nicht glauben. »Warum müssen überhaupt tragende Wände raus?«
fragte Rufus. Ich wollte nicht zugeben, daß ich auch das nicht so genau wußte.
»Man hat mehr architektonische
Möglichkeiten. Unbegrenzte
Weitere Kostenlose Bücher