Der Mann, der's wert ist
warf er einen kurzen
Blick aufs Rezept, schüttelte den Kopf, ging zum Tisch, auf dem alle Zutaten
bereitstanden, brachte Mehl, Milch, Salz, Margarine, Butter und ein altbackenes
Brötchen, das er mir gab: »Bitte, schneide das in mittelgroße Würfel und brat
sie auf mittlerer Hitze in Butter, bis sie goldbraun sind.«
Ich schnitt das Brötchen in
Würfel, als wäre es eine Zwiebel. Bis ich die Würfel goldbraun gebraten hatte,
hatte Wolfgang den Teig schon in neun exakt gleich große Abschnitte unterteilt
und drückte schwupp, schwupp, schwupp in jedes Teigstück gebratene Brotwürfel.
Er hatte vier Klöße geformt, bis ich einen zusammengepatscht hatte. »Ich hab
das Gefühl, du kannst schon kochen«, sagte ich, als ich den Knödel endlich von
den Händen hatte.
»Na ja.«
»Warum machst du einen Kochkurs
für Anfänger?«
»Wegen Winfried. Ich wollte,
daß er sich für Kochen interessiert... aber du siehst ja selbst, das klappt
nicht.«
Ja, ich sah es selbst, von
Winfried war heute wieder gar nichts zu sehen.
Während ich die Klöße im Topf
überwachte, ging Wolfgang rauf in den Schulhof, um den Herrschaften den genauen
Essenstermin mitzuteilen, aber kam sofort wieder runter, um den Tisch zu
decken.
Natürlich war der Braten
fabelhaft. Die Kartoffelklöße waren auch perfekt. Ausgerechnet Michael sagte,
das sei kein Kunststück, der einzige Fehler, den man dabei machen könnte, sei
es, überhaupt Klöße aus rohen Kartoffeln zu machen, die aus gekochten würden
besser schmecken.
»Aber dazu braucht man
Kartoffeln, die einen Tag vorher gekocht wurden«, verteidigte Wolfgang unsere
Klöße.
Felix sagte,
Halb-und-halb-Knödel seien noch besser. Wolfram war für Semmelknödel.
Auf dieses Stichwort brachte
Rufus die Rufus-Tanja-Semmelknödel-Gemeinschaftsproduktion. Es waren keine runden
Bälle wie unsere Klöße, eher zerfallende Häufchen.
Die einzige, die froh auf die
Häufchen blickte, war Carola. »Ihr habt die Hitze nicht runtergeschaltet, das
Wasser darf nur kochen, bis man die Klöße hineingibt, danach darf es nur noch
ganz leicht kochen, sonst zerfallen sie unweigerlich.«
Rufus sah auf Carolas
Umweltpapier-Rezeptblatt nach. »Hier steht nur: Hitze reduzieren.«
»Das lernt man nur aus
Erfahrung.«
Tanja sah Carola drohend an:
»Dich würde ich gern mal in Geldanlagen beraten.«
Carola blieb unbeeindruckt:
»Ihr könnt nicht von mir verlangen, daß ich hier autoritäre Vorschriften mache.
Schließlich habe ich Pädagogik studiert.« .»
»Wenn ich zusammenfassen darf,
was wir heute gelernt haben«, rief Winfried, »nämlich, daß es sich überhaupt
nicht lohnt, Knödel zu machen. Die aus der Packung schmecken besser!« Gleich
darauf konnte Winfried noch feststellen, daß es sich auch nicht lohnt,
Weinschaumcreme selbst zu machen. Eindeutig war die Tanja-Rufus-Weinschaumcreme
keine schaumige Creme, sondern klebrige Pampe.
»Das liegt daran«, erklärte
Carola froh, »daß ihr Eiweiß und Eigelb nicht sauber getrennt habt. Wenn man
Eiweiß steif schlagen will, darf im Eiweiß kein bißchen Eigelb sein.«
»Bei dir lernt man, was man
falsch machen kann, aber nicht, wie man kocht«, sagte Tanja. »Ein Glück, daß
keiner der Anwesenden dieses Ziel verfolgt.«
Carola guckte verblüfft.
Nur Felix protestierte: »Ich
will kochen lernen, und deshalb schlage ich vor, daß wir nächstes Mal
Sahnebonbons machen, meine Tochter war neulich auf einem Kindergeburtstag, da
gab es selbstgemachte Sahnebonbons.«
Niemand sagte was.
»Und jetzt muß ich leider
gehen, meine Tochter abholen«, sagte Felix. Er ging unter allgemeinem
Schweigen.
Als er die Tür hinter sich
geschlossen hatte, fragte Wolfram: »Wollen wir in öffentlicher oder in geheimer
Abstimmung klären, wie viele Leute sonst noch Sahnebonbons machen wollen?«
Wir lachten noch beim
Geschirrspülen, und ich lachte soviel wie lange nicht mehr: Ja, kochen gelernt
hatte ich bestimmt nicht viel, aber der Kurs hatte mich in ganz anderen
Dimensionen meinem Ziel näher gebracht, eine moderne Idealfrau zu werden. Hier
hatte ich Rufus kennengelernt, durch ihn hatte ich eigenes Geld verdient. Würde
ich heute mein Glückspotential testen, in aller Bescheidenheit: Nun war ich
eine ideale Frau. Und die Zukunft sah noch viel idealer aus!
Als wir die Küche aufgeräumt
hatten, kam Michael mit dem Vorschlag, Rufus, Tanja und ich sollten mit ihm ins
Avantgarde-Theater-Zentrum fahren, da sei eine Nachtpremiere, er müsse darüber
eine Besprechung
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