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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Fliesenleger weiß die Lösung: Wo die
Sitzgruppe den Boden verdecken wird, schneidet er Terrazzostücke raus und
verklebt damit die Löcher. Tadellos. Poliert wird der Boden erst später, wenn
keine akute Kratzergefahr mehr besteht, vorläufig wird er mit einer dicken
Plastikfolie geschützt.
    Nachdem überall der
Schleifstaub abgewischt und aufgesaugt ist, können die Maler kommen. Sie sind
zuerst tagelang damit beschäftigt, die Kabel für die Decken- und
Wandbeleuchtung unter Putz und unter neue Stuckkanten an der Decke zu verlegen;
alle Löcher von den abgerissenen Holzpaneelen zu verspachteln; alle Wände zu
glätten; alles weiß zu grundieren. Und dann ist es taghell im ehemals
schummrigen Foyer. Als wäre aus einem Keller ein Atelier geworden.
    Die Maler machen erst mal oben
weiter — meine Entwürfe, wo im Foyer marmorierte Flächen hinsollen und wo diese
Flächen von grauen Linien, und in welchen Abständen umrahmt sind, sind ihnen zu
kompliziert. Sie könnten eine ganze Wand am Stück marmorieren, aber all diese
Flächen ausmessen und einzeichnen, das würde viel zu teuer. Also zeichne ich
die Linien selbst auf die weiße Wand. Rufus hilft mir. Er zieht auf der Leiter
die Striche oben entlang der raumhohen Leiste, die wir als Lineal benutzen, ich
zieh die Striche unten, in der Mitte ziehen wir sie abwechselnd. Eine elende
Präzisionsarbeit.
    Um einen Platz zu haben, wo wir
uns hinsetzen können, wenn wir uns eine Pause leisten, stellen wir einige
müllreife Sessel und einen Müll-Tisch ins Foyer, ich verdecke die Sessel mit
alten Bettlaken. Die Bettlaken-Sitzgruppe zwischen den weißen Wänden, auf denen
nur zarte Linien zu sehen sind, dazu die weißgraue Plastikfolie auf dem Boden —
es sieht aus wie in einem modernen Theaterstück. Es gefällt mir.
    Rufus sagt: »Das Stück, das wir
hier spielen, wird oft in Theaterprogrammen angekündigt.«
    »Wie heißt das Stück?«
    »Wegen Umbauarbeiten
geschlossen.«
    Als ich überlege, warum ich
über den Scherz so lache, denke ich, daß ich auch aus Angst lache. Angst, daß
wir alles nicht schaffen. Ein Glück, daß Frau Schnappensiep im Sommerurlaub
weilt, wie könnte ich ihr erklären, daß aus dieser kahlen Kulisse wird, was ich
ihr versprochen habe? Und Rufus sagt, er hätte Zweifel, ob die Maler ihren
Zeit- und Kostenplan einhalten. Aber das sei nicht meine Schuld. Sorgen mache
ich mir natürlich trotzdem. Wie wird das alles enden?
    Herrn Hedderich gefällt die
Bettlaken-Sitzgruppe sehr gut. Er streicht hier die sechzig Stühle vom
Frühstücksraum. Abgesehen davon, daß sie alle gleich aussehen, sind es Stühle
ohne besonderen Reiz, aber man sitzt wirklich bequem, und sechzig neue wären zu
teuer gewesen. Weiß gestrichen und mit angeknüpften rosa-grün-weiß gestreiften
Kissen werden sie dem Frühstücksraum eine beschwingte Atmosphäre geben, er soll
wie ein elegantes Gartencafe wirken. Herr Hedderich lackiert mit
leidenschaftlicher Sorgfalt immer acht Stühle gleichzeitig, pro Tag werden zwei
fertig. Frau Hedderich näht die Stuhlkissen, das macht sie gerne, weil sie
dabei sitzen kann. Sie schafft vier Kissen pro Tag — die meiste Zeit kocht sie
für die Handwerker und für uns. Der rosa-grün-weiß gestreifte Kissenstoff ist
aus dem hiesigen Bettencenter und ist eigentlich ein Matratzenbezugsstoff, er
war ein solches Supersonderangebot, daß ich einen ganzen Ballen davon gekauft
habe. Damit werden noch ein paar Sessel neu bezogen, sie sind bereits beim
Polsterer.
     
    Pünktlich in der zweiten
Juliwoche kommt ein großer Möbelwagen von Hagen und von Müller, außer dem
Löwenläufer und der Sitzgruppe ist alles dabei. Als letztes wird Frau Futuras
Teppich ausgeladen — das heißt, er wurde als allererstes eingeladen. Rufus
erklärt, das Teppichblau sei seine Lieblingsfarbe, und es sei das gleiche Blau
wie mein Wintermantel. Ich lasse ihn in dem Glauben, obwohl das Teppichblau
viel ruhiger ist als das meines Mantels, mit Rufus’ Farbgefühl ist es eben
nicht weit her. Ich vermesse das FH-Monogramm auf Frau Futuras Teppich, es ist
immerhin 65 cm X 65 cm. Ich will es rausschneiden, ein Teppichstück in einer
Kontrastfarbe einsetzen, aber Rufus jammert, vorher müßte alles andere versucht
werden, lieber was drüberlegen, nicht den schönen Teppich anschneiden. Also
gut. Warten wir ab, den Teppich brauchen wir noch lange nicht.
    Die gesamte Lieferung wird
vorläufig im Frühstücksraum untergestellt, jedes Stück bekommt einen Aufkleber
mit

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