Der Mann, der's wert ist
ich keine Angst vor einem Teppich. Aber was mache ich mit einem
Teppich, auf dem FH steht? Dieser Teppich wäre im Prinzip ideal als Mittelpunkt
des Foyers — da soll der ovale Kirschbaumtisch stehen, um Prospekte auszulegen
und Blumen aufzustellen, und wenn man den Tisch einfach nur auf den
Terrazzoboden stellt, macht das zu wenig her. »Vielleicht könnte man das
Mittelstück mit dem Monogramm rausschneiden und ein anderes Teppichstück
einsetzen?«
»Diese Farbe in dieser Qualität
bekommen sie von keiner andern Firma«, sagt die Verkäuferin.
»Man könnte was bestellen, aber
das wird teuer«, sagt Elisabeth. »Überleg dir’s in Ruhe, den Teppich kauft dir
keiner weg. Wir müssen jetzt mit Herrn von Müller verhandeln.«
Herr von Müller erwartet uns in
seinem echt barocken Büro. »Ich hoffe, Sie hatten viel Spaß bei der Auswahl«,
sagt er. »Wir sind nicht gekommen, um viel Spaß zu haben, sondern um viel
Rabatt zu bekommen«, sagt Elisabeth.
»Sie haben viel reduzierte Ware
gekauft«, sagt Herr von Müller, »eigentlich geben wir auf reduzierte Ware...«
»...ebenfalls zehn Prozent
Rabatt, wenn die Gesamtsumme über zwanzigtausend Mark liegt«, sagt Elisabeth.
Herr von Müller sagt nichts
mehr.
Ich tippe auf meinem
Taschenrechner herum und fühle mich ein bißchen wie ein Cowboy, der mit einer
geladenen Pistole spielt: »Wenn ich siebenundfünfzig Meter von dem Löwenläufer
nehme, wieviel Sonderrabatt geben Sie mir dann?«
»Fünf Prozent«, antwortet mir
Elisabeth.
Herr von Müller guckt giftig,
sagt aber nur: »Wir brauchen die exakten Längenabschnitte, damit die Schlaufen
eingenäht werden können. Der Läufer hat zwei Monate Lieferzeit.«
»Vorher brauchen wir ihn auch
nicht. Die Sitzgruppe kommt auch erst in zwei Monaten. Alles andere brauche ich
in spätestens drei Wochen.«
»Und wie bezahlen Sie?« will
Herr von Müller wissen.
Ich habe einen Blankoscheck zur
Verrechnung. Rufus meinte, ich müßte wahrscheinlich eine Anzahlung machen. »Ich
bezahle zehn Prozent der ersten Lieferung im voraus, den Rest jeweils sofort
bei Lieferung«, erkläre ich.
»Macht noch mal drei Prozent
Skonto«, sagt Elisabeth.
Herr von Müller guckt giftiger
und addiert und addiert und subtrahiert und subtrahiert.
Ich prüfe und prüfe.
Gesamtsumme abzüglich aller Rabatte: 44716,50 Mark.
»Machen wir eine runde Summe«,
sage ich, »machen wir fünfundvierzigtausend, dann nehme ich noch den Teppich
von Frau Futura.«
Herr von Müller sieht mich mit
offenem Mund an, dann macht er den Mund wieder zu: »Sehr gern, gnädige Frau.«
Herr von Müller begleitet uns
zur Tür. »Sind Sie weiterhin an dem Kahnweiler-Tisch interessiert, Fräulein
Leibnitz?«
»Oh ja«, sagt Elisabeth,
»trotzdem bitte weiterhin >Frau< Leibnitz.«
»Wollen Sie ihn noch mal
ansehen, Frau Leibnitz?«
»Ich seh ihn immer wieder
gerne.« Lächelnd geleitet uns Herr von Müller in ein Konferenzzimmer.
Zum erstenmal seh ich ihn: Es
ist ein toller Auszieh-Tisch mit den zwölf verschiedenen Beinen, eines der
wenigen schönen modernen Möbel. Die Metall-Tischplatte ist grau-schwarz
patiniert, mit einem Hauch von Kupferspangrün, die Platte ist so extrem dünn,
daß sie zu schweben scheint. Ein Tischbein hat einen Klauenfuß, der eine Kugel
hält, eines ist wie ein alter Teppichklopfer gebogen, eines ist barock, eines
im Empirestil mit einer sich nach unten verjüngenden Säule, eines ist
dramatisch gezackt — Elisabeth hat recht, das ist ein Tisch fürs Leben.
»Falls du auch einen
Kahnweiler-Tisch willst«, sagt Elisabeth, »ich habe Beziehungen zur Firma
Kahnweiler. Auf Wiedersehn, Herr von Müller.«
Draußen sagt Elisabeth, daß es
gar nicht wahr ist — die Firma Kahnweiler hat bisher nicht geantwortet. »Aber
Edel-Müller hat’s geglaubt. Dieser Tag war ein großes Vergnügen!«
»Ohne dich hätte ich nie soviel
Rabatt bekommen. Ich müßte dir ein Honorar für deine Beratung zahlen.«
»Quatsch! Und außerdem, nachdem
ich ihm eine so gute Kundin gebracht habe, wird er mir künftig auf alles, was
ich kaufe, auch zehn Prozent geben. Es hat sich auch für mich gelohnt.«
Von der nächsten Telefonzelle
rufe ich Rufus an, er freut sich sehr, daß wir so erfolgreich waren. Als ich
ihm erzähle, daß ich den Teppich einer verstorbenen Hellseherin, der
ursprünglich über viertausend Mark kostete, für 283,50 Mark bekommen habe, und
Rufus frage, ob er fürchtet, daß ein Fluch darauf liegt, lacht er: »Warum denn?
Die
Weitere Kostenlose Bücher