Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
Vom Netzwerk:
Schuld ist, heutzutage würde ausschließlich echter Marmor verlegt.
Und gemalter Marmor könnte nie wie echter Marmor aussehen, überhaupt kein
Vergleich sei das, wenn man einmal echten Marmor gesehen hätte.
    Am dritten Abend sitze ich
heulend vor der Erdbeersahnetortenwand. Wenn es so wird, kann ich das Foyer
vergessen. Rufus will mich beruhigen, er wird ab morgen versuchen, einen anderen
Maler aufzutreiben. Donnerstag mittag kommt er mit der Botschaft, in den
nächsten Tagen käme der beste Malerspezialist, der zu haben sei.
    Rufus ist optimistisch, sein
Informant sei ein intimer Kenner der Handwerker-Szene. Ich bin skeptisch. Aber
die Erdbeersahnetorte wird von der Wand getilgt, weiß überstrichen.
     
    An diesem Abend kommt nach
längerer Zeit mal wieder Tanja vorbei, sie hat ihren Freund Werner, den
Juwelier, dabei. Sie wollen demnächst in Urlaub fahren und uns vorher noch mal
sehen. Er trägt einen weißen Leinenanzug, ist braun gebrannt, lacht wie ein
Reklamemann für Rasierwasser. Tanja trägt ein schwarzes Leinenkleid und sieht
auch so super aus, daß ich kaum wage, den beiden die Hand zu geben, ich bin so
eingedreckt. Und an Tanjas Ohren sehe ich große, goldene Kugeln, mattiert,
brillantbesetzt. »Sind die von Werner?«
    »Natürlich.«
    Werner begrüßt Rufus wie einen
alten Kumpel und mich fragt er auch gleich: »Ist das deine Naturhaarfarbe oder
Staub auf deinem Kopf?«
    Tanja fragt: »Habt ihr diesen
Sommer schon mal die Sonne gesehen?«
    »Ja, wenn wir über den Hof zum
Müllcontainer gehen oder vor die Tür zum Bauschuttcontainer.«
    »Auf dieser Baustelle hier
bekommt man sofort Durst«, sagt Werner. Rufus holt eine Flasche Sekt-Hausmarke.
Ich bitte die Gäste, in unserer Wegen-Umbau-geschlossen-Theaterkulisse Platz zu
nehmen.
    »Wir trinken auf den
Fortschritt der Arbeit«, sagt Tanja, »ist schon was fertig?«
    »Ja, oben.«
    Werner springt sofort auf, aber
wir sind zu müde, um Zimmer vorzuführen. »Wartet bitte, bis mehr fertig sind.«
    »Ihr seid ja schon total
fertig«, sagt Werner und setzt sich wieder. Er prostet mir zu: »Lach mal, guck
nicht so traurig.«
    »Ich warte auf den Mann, der
Marmor malen kann«, sage ich depressiv.
    Werner kringelt sich vor
Lachen: »Super, guter Rhythmus, sollte man vertonen — Ich warte auf den Mann,
der Marmor malen kann...« — er springt auf — »früher hab ich Schlagzeug
gespielt.« In einer Ecke findet er leere Farbeimer und zwei Pinsel, er baut
sich die Eimer wie ein Schlagzeug auf und singt: »Wart mit mir auf den Mann,
der Marmor malen kann, yeah, du ja, yeah, du da. Yeah.«
    Sehr lustig, wenn man Lust hat
zu lachen und nicht auf den Mann wartet, der Marmor malen kann.
    Werner variiert Tonart und
Text: »O yeah, sie wartet auf den Mann, der Marmor malen kann, dann fängt für
sie ein neues, neues Leben an. Yeah,
hey, tell me — kannst du Marmor malen... hey, tell me...«
    »Wir fahren zweieinhalb Wochen
nach Griechenland«, sagt Tanja, »in einen Erlebnis-Club. Werner hat gern viel
Action.« Unnötig, das zu sagen, wenn man Werner am Farbeimer-Schlagzeug sieht.
Er trommelt jetzt, ohne zu singen, aber es hört sich an wie Gesang, als er mich
fragt: »Tell me, Viola, bist du mit dem gebrochenen Herzen aus meinen Atelier
zufrieden?«
    Ja, es ist wundervoll, ich
trage es zur Zeit nur deshalb nicht, weil es schade wäre, so schönen Schmuck
auf einer Baustelle zu tragen. Außerdem geht die Handwerker mein gebrochenes
Herz nichts an. »Demnächst, wenn wieder bessere Zeiten kommen, werde ich es
immer tragen.«
    Werner findet auch das sehr
lustig. Sofort singt er: »Was wird aus den gebrochenen Herzen, die auf Marmor
warten unter Schmerzen, la, la la...«
    Rufus bringt die nächste
Flasche Sekt. Werner kippt ihn runter wie Bier, trommelt und singt: »Marmor,
Stein und Eisen bricht«, Tanja lacht und singt mit. Rufus und ich hängen sang-
und klanglos in den Sesseln.
    Nach der zweiten Flasche sagt
Tanja: »Werner, wir gehen. Mit diesem Publikum ist nichts anzufangen.« Und zu
uns sagt sie: »Bleibt sitzen, schont eure Kräfte. Wir schicken euch eine
Postkarte.« Lachend und singend ziehen sie ab.
    Wir bleiben sitzen. Ich
versuche, an was anderes als an den Mann, der Marmor malen kann, zu denken:
»Macht es dir nichts aus, daß Tanja jetzt mit ihrem Juwelier wegfährt?«
    »Warum soll mir das was ausmachen?«
    »Ich dachte, du und Tanja...«
    »Zwischen uns war nie was.«
    »Warum nicht, ich dachte...«
    »Ich weiß nicht, warum nichts
zwischen uns

Weitere Kostenlose Bücher