Der Mann, der's wert ist
Zimmernummer, damit es später kein Chaos gibt.
Kaum sind die ersten Zimmer
tapeziert, stelle ich fest, daß auf einer Wand in Zimmer 16 noch nach dem
Trocken große Beulen sind.
»Das liegt an der Tapete«, sagt
der freche Malergeselle.
»Das ist eine teure Tapete!«
»Dann liegt es an der Wand!«
»Es liegt an Ihnen! Machen Sie
diese Beulen raus!«
»Das geht nicht, ich kann nicht
neu tapezieren, weil keine Tapete mehr da ist, Sie haben alles viel zu knapp
kalkuliert.«
»Ich bin davon ausgegangen, daß
ein Maler mit Ihrem Stundenlohn ohne Beulen tapezieren kann.«
Er sagt nichts mehr, aber mir
bleibt trotzdem nichts anderes übrig, als zu überlegen, was ich über die Beulen
hängen kann. Natürlich Bilder, aber was für Bilder?
Was für Bilder passen in ein
Hotelzimmer? Frauen lieben Blumenstilleben. Aber die ewigen Blumenstiche von
Maria Sibylla Merian sind zu langweilig. Und Männer finden so was kitschig.
Männer mögen die Männerstilleben mit Bierhumpen und Weingläsern, mit gekochten
Hummern und toten Fasanen — so was finden sie nicht kitschig. Am liebsten mögen
Männer Aktgemälde. Aber in einem Hotel wirkt das zu puffig. Irgendwie fällt mir
ein, daß ich mal ein Buch angesehen habe mit allen Porträts der
Schönheiten-Galerie von König Ludwig I. von Bayern. Der ließ ein paar Dutzend
Frauen malen, die er für besonders schön hielt. Ich erinnere mich genau, weil
Benedikt gesagt hatte, ich sehe einer gewissen Caroline aus der
Schönheiten-Galerie ähnlich. Das wäre doch was — ich könnte in einige Zimmer je
sechs dieser Porträts hängen, in schmale goldene Leisten gerahmt. Das wären für
Männer und für Frauen interessante Studienobjekte, jeder könnte sich fragen:
»Was hat er nur an der gefunden?« Und damit wäre jede Beule in Zimmer 16
abzudecken. Überhaupt sollte ich mehr Bilder aufhängen. Bilder sind die beste
Möglichkeit, um einem Zimmer eine persönliche Note zu geben. Als ich Rufus beim
Mittagessen erzähle, daß ich Kunstdrucke besorgen und rahmen lassen will, fällt
ihm auch was ein. Er bringt aus seiner Wohnung einen großen Kunstdruckkalender
vom vorletzten Jahr. Es sind Landschaftsfotos mit Sauriern.
»Das gefällt mir am besten«,
sagt Rufus und zeigt das Kalenderblatt vom April: ein graubraun gescheckter,
baumgroßer Saurier, der einen rosablühenden Magnolienbaum abfrißt, als wär’s
ein Blumenkohl. Im Schatten der Magnolie schlummern aneinandergekuschelt zwei
Saurierbabys.
»Hm«, sage ich, »ist das nicht
ein bißchen kitschig, Saurier unter Magnolien?«
»Wieso kitschig? So hat das
ausgesehen. Magnolien gehören zu den ältesten Bäumen, die gab es bereits vor
hundert Millionen Jahren.«
Auf dem nächsten Blatt rennen
bleichhäutige Saurier, gejagt von einem größeren mit einem Rüssel auf dem
Hinterkopf, durch einen Schachtelhalmwald. Auf dem Augustkalenderblatt Kampf
der Seesaurier. Ein krokodilähnlicher Fisch springt aus den Wellen, einem
Riesentier mit Schlangenhals an die Gurgel. Dann ein Wüstensaurier, der mit
bluttriefendem Gebiß einen erbeuteten Verwandten abschleppt, Richtung
Felshöhle, wo vier kleine Saurier schwanzwedelnd auf ihr Futter warten.
Reizend. Als nächstes ein fledermausähnliches Riesenvieh schwebend über einem
Ginkgobaum, im spitzen, zahnbesetzten Schnabel einen rosaroten Storch, der
heftig zappelt. »Das ist ein Flamingo. Die haben auch schon viel überlebt.«
Das Novemberblatt ist besonders
dramatisch. Zwei Flugsaurier über dem Meer, am Himmel schwarze Wolken, von
einer senkrechten Spur durchschnitten. »Die letzte Sekunde im Leben von zwei
Peterosauriern, dahinten stürzt ein Meteor ins Meer«, erklärt Rufus.
Auf dem Dezemberblatt endlich
wieder eine friedliche Szene: ein Vieh, dessen Kopf in den Wolken verschwindet,
umflattert von einer Schar Flamingos, die neben ihm klein wie Spatzen wirken.
»Gefallen sie dir?« fragt Rufus begeistert.
Ich finde die Bilder zu
kitschig, aber ich will Rufus nicht kränken und was gegen seine Saurier sagen:
»Ja, sie gefallen mir, aber willst du dich wirklich von diesen Bildern
trennen?«
»Ja, ja, ich wollte sie längst
schon rahmen lassen.«
Also gut, mit grauem Passepartout
und schwarz gerahmt werden sie nicht mehr so bunt wirken. »Wenn du damit
einverstanden bist, hängen wir je drei oder vier Saurierbilder in die
Manager-Zimmer, da passen sie hin.«
Rufus ist hocherfreut.
Ich rufe Elisabeth an, sie weiß
auch nicht, wo man die Kunstdrucke mit den Porträts der
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