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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Deckenlampen in den Fluren auf Stuckrosetten montiert, es sind
blütenähnliche Milchglasschirme mit einem geriffelten goldenen Knopf in der
Mitte. Noch ein Hauch von Gold. Die Wandlampen waren ursprünglich sehr
preiswerte Nachttischlämpchen aus dem Kaufhaus — als Nachttischlämpchen sahen
sie dämlich aus, der Schirm paßte nicht zum Fuß, aber nur der Schirm mit dem
goldenen Knopf auf Stuck montiert, sieht aus wie eine stilisierte Margerite.
Abends würden überall Margeriten leuchten. Zwei Elektriker legten Kabel unter
Putz, ein Maler begann die Decke zu streichen, zwei andere laugten die
verblichenen blauen Rosen auf beigegrünlichem Grund von der Wand. Als ich am
Nachmittag fragte, wann die abscheulich ockergelbe Kunstlederfalttür zwischen
Frühstücksraum und Nebenraum entfernt wird, sagte ein Maler, die würde nicht
entfernt. Ich hätte selbst gesagt, die Falttür müsse bleiben. Unmöglich, daß
ich das gesagt hatte. Jedenfalls hätte ich nicht ausdrücklich gesagt, daß die
Trennwand raus solle. Das war möglich — ich wäre nicht auf die Idee gekommen,
jemand könnte annehmen, das Kunstlederscheusal solle bleiben!
    »Wir halten uns wortgenau an
Ihre Anweisungen«, sagte der Maler, als gäbe ich völlig unberechenbare und
idiotische Anweisungen.
    Also sagte ich ausdrücklich,
daß diese Trennwand zu verschwinden habe, und zwar ersatzlos.
    »Was wollen Sie mit einem so
großen Raum?« meckerte der Maler, nur damit er was meckerte.
    »Hier wird ab demnächst ein so großer
Raum gebraucht«, sagte ich und verließ den Frühstücksraum, ohne mich auf
weitere Diskussionen einzulassen.
    Vorn am Eingang stand Rufus mit
einem Mann, der ein auffallend biederes Kurzarmhemd trug. Rufus sagte: »Da
kommt Frau Faber, sie ist für die Ausstellung zuständig.«
     
    Der Mann kam sofort zu mir. »Da
haben Sie Glück gehabt, daß ich Ihre Anzeige gesehen habe«, sagte er. Er hatte
einen Stapel Leinwandbilder dabei, von einem praktischen Tragegriff
zusammengehalten. Mit einem Ruck hatte er den praktischen Tragegriff geöffnet
und stellte die Bilder zack, zack, zack gegen die Wand, dabei erzählte er: »Ich
bin nicht hauptberuflich Maler, noch nicht, kommt noch. Derzeit bin ich noch
nebenbei als Beamter beim Finanzamt tätig. Meine Freundin geht zweimal wöchentlich
zum Sport. Ich passe in der Zeit auf die gemeinsame Tochter auf. Da habe ich
angefangen, die Malerei für mich zu entdecken. Das geht schnell und bringt am
meisten.«
    Es waren sechs Bilder, jedes
etwa 50 cm breit, 75 cm hoch. Auf jedem Bild ein großes ovalähnliches Rosa. Auf
jedem Oval zwei matschartige Klekse in Blau und eine dunkelrosa Linie, mal ist
die Linie nach oben gebogen, mal nach unten, mal gerade. Die Farbe
zentimeterdick hingespachtelt. Echte Essig-und-Ölbilder. Und dazu breite Rahmen
aus Fichtenholz, klobig wie Kaminholzscheite. Nein, danke!
    Er trat zwei Schritte zurück,
stützte eine Hand in die Hüfte, kniff ein Auge zu und sagte: »Da haben Sie
Glück gehabt! Super-Farbkombination. Wie für Ihre Wände geschaffen!«
    »Ist das reine Malerei?« begann
ich mein Ablehnungsgespräch. »Das ist meine Tochter. Ich bringe ihre Gefühle
auf die Leinwand«, er zeigte von Bild zu Bild: »hier Freude, hier Wut, hier
Trauer, Hunger, Müdigkeit, Überraschung.«
    Tatsächlich: Die dunkelrosa
Linie zeigte beim Bild Freude freudig nach oben, bei Trauer traurig nach unten,
bei Wut ist es eine wütende Zackenlinie, und bei Hunger oder Überraschung ein
hungriges oder überraschtes Oval. Auf jedem Bild ist auch eine Art herzförmiger
Klecks. »Was ist das?« fragte ich.
    »Das ist ein Herz. Hier beim
Motiv Trauer habe ich das Herz schwarz gemalt. Das läuft ganz spontan bei mir
ab, wie ich die Farbe kreativ einsetze.«
    »Ich seh ein Problem«, sagte
ich, »wer soll das kaufen?«
    »Da besteht ein riesiges
Interesse dafür! Überlegen Sie mal, wie viele Väter es heutzutage gibt! Und das
ist ein riesiger Wachstumsmarkt. Überlegen Sie mal, was Sie mit einem Kind für
Steuerermäßigungen bekommen!«
    »Aber Sie hängen sich auch kein
Bild von einem wildfremden Kind in die Wohnung.«
    »Ich male meine Tochter ja
nicht als wildfremdes Kind, sondern als Kind-an-sich. Und mein Stil ist so
modern, da können Sie die Bilder einfach auf den Kopf stellen, wie es dieser
berühmte Maler macht — wie heißt er gleich — , und dann ist das im Handumdrehen
Hunderttausende wert.« Er nahm die Bilder und stellte sie zack, zack, zack auf
den Kopf. Er trat wieder einige

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