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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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einem dunkelbraunem Strich zwischen den
Beinen wie ein Reißverschluß. Daneben ein Mann, der eine Zigarre qualmt, die
atompilzähnlichen Rauch von sich gibt. Das Gesicht des Mannes ist wie ein Arsch
gemalt.
    Auf dem vierten Bild eine
Demonstration, die offensichtlich durch eine Puffgegend führt. Links und rechts
im Bild sind Häuser, aus den Fenstern sehen nackte Frauen mit dicken Busen und
aufgetakelt geschminkten Gesichtern hinunter auf einen Demonstrationszug von
Arschgesichtern. Die Demonstranten tragen Transparente, auf denen liebevoll
exakt gepinselt steht: »Ausländer raus« und »Jude verrecke« und viel
Schlimmeres. Und mindestens ein Dutzend exakt gemalter Hakenkreuzfahnen.
    »Nein«, sagte ich entschieden.
»Nein, diese Bilder passen nicht hierher.«
    »Natürlich passen sie hierher.
Das ist genau das Forum, das meine Bilder brauchen.«
    »Nein, ich will sie nicht
haben.«
    »Sie haben was gegen Ausländer,
was? Das macht Sie betroffen, was, weil Sie selbst ‘ne verkappte Faschistin
sind!«
    »Nein, ich habe nichts gegen
Ausländer, und ein Hotel lebt großenteils von Ausländern, und deshalb will ich
keine solchen Bilder hier. Stellen Sie sich vor, Sie sind selbst im Ausland in
einem Hotel, und da sehen Sie solche...«
    Angewidert unterbrach er mich:
»Du willst lieber nette Heile-Welt-Bildchen mit Blümchen und Engelchen. So’n
Weiberkitsch!« Angewidert zeigte er auf die Wände, an denen seine Werke nicht
hängen werden. »Das ist ja alles so dekadente Deko-Scheiße hier.«
    Rufus kam aus der Küche. Er
mußte gehört haben, was der Typ gesagt hatte. »Guten Abend«, sagte Rufus.
    »Das ist der Chef«, sagte ich zu
dem Typen und zu Rufus: »Ich finde, das paßt nicht hierher.«
    Der Künstler nahm mich nicht
mehr zur Kenntnis. »Angenehm«, sagte er zu Rufus, nannte seinen Namen,
schüttelte ihm die Hand und führte die Bilder noch mal vor.
    »Ich hab keine Ahnung von
Kunst«, sagte Rufus und deutete auf das Gemälde mit den traurigen Pandabären im
Konzentrationslager, »aber würde einer dieser Bären sich je erheben, würde er
furchtbar auf die Schnauze fallen.«
    »Warum denn?«
    »Bitte, denken Sie nicht, ich
hätte was gegen Pandabären, aber so ein Bär läuft auf vier Beinen und hat einen
schweren Oberkörper, und Sie haben die Hinterbeine dreimal länger als die
Vorderbeine gemalt — deshalb müssen Ihre Bären, wenn sie aufstehen, ganz
furchtbar auf die Schnauze fallen.«
    »Ich merke schon, Sie sind in
Ihrer Meinung total beeinflußt! Das ist ja alles nur Schubladen-Denken!«
    Als er die Tür hinter sich
zugeknallt hatte, sahen wir uns an und lachten. »Und was nun?« fragte ich,
jetzt ohne Optimismus. Rufus wußte es genausowenig wie ich.
    Und dann kam Harald.
     
     
     

90. Kapitel
     
    Montagvormittag im
Frühstücksraum sprach mich ein Mann an, der sich, als ich hereingekommen war,
mit einem der Handwerker unterhalten hatte; der Mann war vielleicht Mitte
Dreißig, hatte eine Wuschelfrisur aus dunklen Locken, trug Jeans und weißes
Polohemd, als er mich sah, lächelte er mich an, indem er einen Mundwinkel etwas
nach oben zog, nahm mit eleganter Hand die Zigarette aus dem Mund und sagte:
»Schönen guten Morgen, ich bin Harald Sommerhalter, und Sie sind Frau Faber?«
    »Ja«, sagte ich und lächelte.
Automatisch.
    »Eine schöne Atmosphäre hier«,
sagte er, »und der Marmor in der Eingangshalle ist meisterhaft gemalt.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Der Elektriker erzählte mir,
daß Sie die Innenarchitektin sind, die die gesamte Gestaltung gemacht hat.«
    »Ja.«
    »Ja«, sagte auch er, »so muß
eine Hotelhalle aussehen, als ob man eine andere Welt betritt, in der Wunder
möglich sind. Nicht diese internationale Standard-Langeweile.«
    »Ja«, sagte ich wieder.
    »Dieser überwiegend schwarze Fußboden
wird die Farbigkeit der Wände noch mehr zum Leuchten bringen. Und diese
Schlichtheit, das ist der Boden, auf dem wahrer Luxus gedeiht.«
    »Ja«. Und lächelte ihn wieder
an. Was wollte er eigentlich hier?
    »Kann ich die Zimmer sehen?«
    Aha, ein potentieller Gast oder
jemand, der Gäste hier unterbringen wollte. »Zur Zeit ist das Hotel
geschlossen, aber ich kann Ihnen gern einige Zimmer zeigen.«
    Ich zeigte ihm nicht nur einige
Zimmer, sondern alle. Er war nicht nur begeistert, sondern lobte überall exakt jene
Details, die ich selbst auch am besten fand. Vor allem die Farbgestaltung und
Farbkombinationen. Sogar als ich ihm im dritten Stock die Nr. 19, das mittlere
Zimmer zur

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