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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Katalog.
»Eine schöne Frau, ein schöner Tisch, viele schöne Stühle«, meinte er
unbeeindruckt und malte weiter. Das war alles, was ihn interessierte.
     
    Quadratmeter für Quadratmeter
übermalte er den schwarzen Klumpen zur grauweißen Fläche, weißen Fläche,
grundierte blau, dann tauchten wieder Wolken auf. Mittwochabend war er wie
versprochen fertig, aber nicht zufrieden. Donnerstagfrüh machte er
schlechtgelaunt Korrekturen. Schlag zwölf warf er den Pinsel vom Gerüst: »Jetzt
reicht’s! Es ist heiterer als zuvor.«
    »Vorher war es heiterer«, fand
ich.
    »Schwer zu sagen«, sagte Rufus
zögernd.
    »Es ist heiterer«, rief Harald
wütend, »der Rest der Heiterkeit ist dem Publikum überlassen. Es geht nicht
heiterer, ohne falsch zu werden.« Er stieg vom Gerüst und schaltete unten den
Recorder ein.
    »DOES HE LOVE ME? 1
WANT TO KNOW!
    »Was ist denn das?!« sagte
Harald, als hätte er diesen Song nie gehört. Er nahm die Kassette raus, suchte
den Boden ab, da lag seine Donauwalzer-Kassette.
    »DONAU SO BLAU...
    SO SCHÖN UND BLAU...«
    Er forderte mich nicht auf, er
tanzte allein durchs Foyer und sah hinauf zu den erneuerten Wolken. »Der
Rhythmus stimmt«, sagte er.
    »...und zum Schluß
    wenn ich dann auch weinen
muß...«
     
    »Jetzt reicht’s mir.« Harald
drückte die Stoptaste. »Ende vom Lied! Hier endet die Macht des Malers!« Er
begann sofort seine Farbdosen zusammenzuräumen.
    Als er schweigend den endgültig
letzten Karton ins Auto geschafft hatte, fragte ich: »Wann kommst du wieder, um
die Bilder aufzuhängen?«
    »Rechtzeitig.«
    »Die Eröffnung ist in sechs
Wochen.«
    »Weiß ich.«
    Damit war alles gesagt, alles
beendet.
    An der Tür warf Harald einen
letzten Blick zur Decke: »Daran kann ich nichts mehr ändern.« Dann sah er
wütend Rufus an: »Komm mit, ich will dir was geben.«
    Rufus ging mit ihm zum Morgan,
der direkt vor dem Fenster parkte. Harald redete kurz und unfreundlich auf
Rufus ein, ich sah, wie Rufus aus seiner schäbigen Jeans sein Portemonnaie zog,
dann steckte Rufus das Portemonnaie wieder ein, stieg zu Harald ins Auto, sie
fuhren weg.
     
    Ich sah hinauf zur
wiedervollendeten Wolkendecke, doch, sie war durchaus heiter. Sogar sicher sehr
heiter, falls man selbst heiter war. Mein Herz krampfte sich mehr zusammen, als
es schon zusammengekrampft war: Nun war erreicht, was ich gewünscht hatte, nun
war es vorbei.
     
    Ich nahm mir vor, ab sofort
nicht mehr an das Ende zu denken, nur noch daran, was als nächstes zu tun ist.
Sobald das Malgerüst abgebaut war, konnte die Plastikplane entfernt werden, als
nächstes konnte ich das Foyer für den Hotelprospekt fotografieren. Es sollte
ein Faltprospekt werden, auf der Vorderseite die Hotelfassade — allerdings
mußte da zuerst der neue Schriftzug angebracht werden — , auf der Rückseite des
Prospekts das Foyer in ganzer Pracht. Auf den Innenseiten Fotos von den
schönsten Zimmern, vom Landhauszimmer mit den Blumenbouquets und himmelblauen
Schleifen, vom blau-weißen Porzellanzimmer, vom grün-weißen Efeuzimmer, auch
vom Rosenzimmer und von einem Managerzimmer mit Saurierbildern, und ein Zimmer
mit den Bildern aus der Schönheiten-Galerie. Außerdem ein Foto von einem
Badezimmer, die Leute wollen sehen, was sie erwartet. Es mußte auch ein großes
Foto vom Frühstücksraum rein, und weil Rufus versuchen wollte, diesen Raum für
Abendgesellschaften zu vermieten, mußte er für das Foto überzeugend festlich
hergerichtet werden.
    Frau Hedderich hatte mir in
einem Küchenschrank einen Stapel fast antiker Damastservietten gezeigt, aber
die Bischofsmützen-Faltung, die sie für festliche Servietten vorschlug, dauerte
Ewigkeiten und sah aus wie schon hundertmal gesehen. Ich fand es einfacher und
effektvoller, die Servietten mit einer Satinbandschleife zu binden, und hatte
schon Band in Rosa, Grün und Gold gekauft. Das Band war teuer, trotzdem viel
billiger als die Arbeitszeit zum Bischofsmützenfalten. Aber weil ich die
angestaubten Damastservietten in die Wäscherei gegeben hatte, konnte ich mich
damit jetzt nicht weiter befassen.
    Aber ich konnte, da Harald
keine Farbe mehr durchs Foyer spritzte, endlich die Plastikfolien von der
Sitzgruppe und von den rosaroten Marmortischen abpellen.
    Rufus kam nicht zum Mittagessen
zurück. Er kam auch nicht am Nachmittag, als ich die Küchenschränke nach
brauchbaren Blumenvasen durchsuchte, aber nur alte Gurkengläser und
Obstsaftflaschen fand. Er kam nicht am späten Nachmittag, als

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