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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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ich in den
unteren Toiletten mit einer Rasierklinge die verschmierte Fugenspachtelmasse
von den Kacheln schabte. Es war ein schwüler Tag, ein Tag zum Draußensitzen —
vielleicht erholten sich Rufus und Harald von all dem Streß, saßen irgendwo und
unterhielten sich über Gott und die Welt, Kunst und Hotels und Saurier.
    Gegen sechs machte ich auch
Feierabend, duschte mich, wusch meine verklebten Haare und wartete. Die beiden
waren seit über fünf Stunden weg.
    Um halb acht wurde es dunkel,
ich bekam Angst, es könnte was passiert sein, ein Unfall, Harald war ein
rasanter Fahrer, das hatte ich selbst erlebt, ich malte mir nichts Konkretes
aus, nur diffuse Angst befiel mich. Ich sah hinaus, Blätter zogen in wirbelnden
Haufen durch die Straße. Es würde heute noch ein Gewitter geben.
     
    Um mich vom Warten abzulenken,
kontrollierte ich in allen Zimmern, ob die Fenster geschlossen waren, und
zählte in den Schränken die Kleiderbügel. Ich wollte pro Gast ein Dutzend
Kleiderbügel. Gestern, als ich kurz weggegangen war, um kleine Porzellanhaken
zu kaufen, die Herr Hedderich in den Erdgeschoß-Toiletten innen an die Türen
schrauben sollte, damit die werten Klobesucher Handtaschen und Mäntel im
Bedarfsfall nicht auf den Boden legen müssen, hatte ich vor einer
Billig-Boutique wieder Kleiderbügel gefunden — die stellten sie einfach im
Karton vor die Tür, und ich beschloß, schnell noch hinzugehen, heute war Langer
Donnerstag, vielleicht gab es neue Bügel. Und bis ich zurück war, würde Rufus
da sein.
    Tatsächlich: Ich fand achtzehn
Bügel. Als ich zurückkam, war es halb neun, die Hoteltür war genau so
verschlossen, wie ich abgeschlossen hatte, und nirgendwo brannte Licht.
    Ich ging in die erste Etage
hinauf, verteilte die neuergatterten Bügel, da hörte ich es unten an der Tür
klingeln, pausenlos wie eine Alarmanlage. Ich ging hinaus auf den Balkon, es
konnte nicht Rufus sein, Rufus hat einen Schlüssel.
    Unten stand Harald.
    »Bist du es, Harald?« rief ich
runter.
    »Ja.«
    Neben Harald stand ein Mann im
schwarzen Anzug.
    »Wo ist Rufus? Ist was
passiert?«
    »Komm runter! Mach auf!«
    Ich rannte runter.
    Aufgeregt machte ich Licht an,
schloß aufgeregt auf, ich beruhigte mich aber, als Harald mich anlächelte, das
ließ, gottlob, nicht auf einen Unfall schließen. Und der Mann neben Harald sah
auch nicht aus wie ein Beerdigungsunternehmer, eher wie ein Musiker, er trug
eine Fliege zum weißen Hemd, und sein Anzug hatte glänzende Revers.
    »Da haben wir den Salat«, sagte
der Mann neben Harald, »sie erkennt mich nicht mehr.«
    Harald grinste.
     
    Es war Rufus.
     
    Mein Gott — es war Rufus. Rufus
mit kurzen dunklen Lockenhaaren! Rufus mit zwei Augenbrauen!! Rufus ohne
Bärte!!! Rufus im Smoking...
     
     
     

97. Kapitel
     
    »Rufus!« rief ich, fiel ihm um
den Hals, fast hätte ich ihn auf den Mund geküßt. Und er drückte mich an sich.
Als ich seine weiche Wange auf meinem Gesicht spürte, fühlte ich mich zittrig.
Oder war es Rufus, der zitterte? »Rufus! Wie siehst du denn aus?!«
    »Gut sieht er aus«, sagte
Harald. »Jane Fonda soll gesagt haben: Eine gute Frisur ist so wichtig wie ein
hübscher Busen — stand beim Friseur auf einem Wandteller. Jane Fonda ist eine
kluge Frau.«
    »Toll siehst du aus!« rief ich.
Wo heute früh der Deppenpony war, hatte Rufus nun eine Stirn! Statt des
haarigen Zensurbalkens über den Augen zwei Augenbrauen! Statt dieser länglichen
kümmerlichen Wellen kurze lässige Locken. Wo seine Bärte gewesen waren, glatte
makellose Haut. »Wo wart ihr?«
    »Bei Cliff, unserem Dorf-Starfriseur,
eigentlich heißt er Richard«, sagte Harald und wackelte tuntig mit Händen und
Hüften. »Er ist dumm wie die Nacht dunkel, aber Haare schneiden kann er. Sogar
ich erlaube ihm, meine Haare zu schneiden.« Ich konnte meinen Blick nicht von
Rufus wenden, er sah so gut aus, daß ich gar nicht mehr wagte, ihn anzufassen.
Und was er für schöne Zähne hatte! Und er hatte tatsächlich ein Kinn, ich hatte
geglaubt, er hätte kein Kinn und deshalb...
    »Harald hat sich unmöglich
aufgeführt«, rief Rufus, »er schleppte mich in Cliffs Salon, und man sagte uns,
ich könnte eventuell einen Termin in zwei Wochen haben. Darauf hat Harald einen
Aufstand gemacht.«
    Harald rief mit tuntiger
Stimme: »Ich hab gesagt, hier komme ich und sage, schafft mir einen neuen Mann!
Und ihr Bürokraten der Kreativität schickt ihn weg! Hört ihr nicht den Schrei
eines Verzweifelten nach

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