Der Mann, der's wert ist
unbezahlbar.«
»Du bist die ideale Frau für
mich«, flüsterte Benedikt und überschüttete mich mit unbezahlbaren Gefühlen.
Ehe wir einschliefen, fragte
ich: »Wie ist denn der Herzallerliebste deiner Schwester?«
»Ich kenne ihn nicht.«
»Du kennst ihn nicht?«
»Ich glaube, ich hab ihn nur
einmal kurz gesehen.«
»Deine Mutter sagt, daß er ihr
ständig Heiratsanträge macht. Warum heiratet sie nicht?«
»So spießig ist sie nun doch
nicht.«
Heimlich und ehrlich fand ich
Mercedes spießig genug. Ich fragte mich nur, warum ihr ein Mann überhaupt einen
Heiratsantrag macht. Noch dazu ständig.
7. Kapitel
Am Montag war alles so, wie man
es sich von Anfang an gewünscht hatte: Nora verließ frühmorgens das Haus. Sie trug
keinen Jogginganzug, sondern einen Trevira-Hosenanzug mit permanenter
Bügelfalte. Leider verließ sie das Haus zur gleichen Zeit wie Benedikt, aber
egal. Ich winkte ihnen hinterher.
Ich ließ die Reste des
Frühstücks stehen, rannte hinauf. Holte meinen Fotoapparat aus dem Karton.
»Bevor man etwas verändert, alles fotografieren, falls es hinterher Ärger
gibt«, hat man uns im Studium eingetrichtert. Die schreiende Frau sah mich so
entsetzt an, als wäre ich einer der Barbaren, die einst Roms Kunstschätze zerstörten.
Ich fotografierte sie, als wäre mein Fotoapparat ein Revolver.
Sekunden nach dem letzten Foto
lagen die sechzehn Kunstkäseplatten auf dem Boden. Auf der vergilbten
staubgrünen Tapete waren, wo die Bilder gehangen hatte, sechzehn
dunkelstaubgrüne Rechtecke. Das sah gar nicht schlecht aus. Wie auf einem
Friedhof mit alten Grabsteinen, auf denen die Namen verwittert sind. Wie die
Schatten einer weit entfernten Vergangenheit.
Ich schleppte Noras alte
Illustrierte und einen Karton in mein Zimmer, um die Bilder endgültig
verschwinden zu lassen. Das Einpacken dauerte länger als vermutet. Es war nicht
leicht zu entscheiden, ob ich Rodins denkenden Mann in eine Reportage über
Geisterheiler einpacken sollte oder lieber von Exkaiserin Soraya umhüllt?
Schließlich wickelte ich ihn in eine mehrseitige Anzeige für enorm günstige
Geldanlagen, das war die beste Umgebung für sein endloses Nachdenken. Die
schreiende Frau hatte ich zuerst zwischen Kochrezepte gepackt, weil sie
irgendwie hungrig aussah, aber dann entdeckte ich einen Bericht über einen
gräßlichen Unfall, bei dem zwei Schulbusse auf einer Brücke zusammengestoßen
und einer brennend die Brücke hinuntergestürzt war — der Bericht war voller
Fotos von Menschen, die schreiend auf der Brücke standen. Würde Mercedes ihre
Kunstschätze je wieder auspacken, würde sie staunen über meine sensibel
passenden Verpackungen.
Ich mußte einen Plan machen,
welche Arbeiten in welcher Reihenfolge auszuführen waren. Das haben wir in
Arbeitsplanung gelernt. Erst wird lackiert, dann tapeziert — eine eherne Regel,
weil es viel einfacher ist, eine ganz exakte Kante zu tapezieren als zu
lackieren. Und hier mußte zuerst die uralte Farbe von der Decke gewaschen
werden, ehe man streichen konnte. Aber zuallererst macht der Innenarchitekt einen
Kostenvoranschlag.
Viel würde es nicht kosten.
Schließlich konnte ich alles selbst machen. Ein bißchen Lack: höchstens fünfzig
Mark. Wenn ich weiße glatte Tapeten mit Wandfarbe streiche, würde das höchstens
hundert Mark kosten. Vielleicht viel weniger: Ich mußte Onkel Georg fragen,
über ihn konnte ich alles zum Einkaufspreis bekommen. Der größte Posten wäre
der Teppichboden, falls ich mich für Teppichboden entscheiden würde. Aber wie
lange würde es dauern, den alten Lack von den Dielen zu schleifen, neu zu
lackieren?
Ich schleppte den Karton mit
dem Werkzeug die Treppe hoch. Ich installierte unseren Radiorecorder in meinem
Zimmer, machte mir eine Thermoskanne Kaffee, wer renoviert, braucht permanent
Kaffee und Musik. Dann hängte ich die scheußliche Gardinenstange ab mitsamt den
verstaubten Gardinen, schleppte den Tisch in den Flur. Und heute abend würde
Benedikt mir helfen, das kindische Bett von Mercedes zu entsorgen.
Die Planungsphase begann:
Ewigkeiten versuchte ich, mir die Wände des Zimmers in einem leichten Türkis
oder einem pudrigen, aber nicht kitschigen Rosé vorzustellen. Aber ein pudriges
Rosé würde im Sonnenlicht verstaubt wirken. Andererseits wirken blaue Zimmer
immer etwas kühl, aber mein Zimmer lag auf der Sonnenseite, da konnte ich mir Blau
leisten. Und der große Vorteil von Blau ist, daß kleine Zimmer dadurch
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