Der Mann, der's wert ist
»Eigentlich kann ich
Johannisbeermarmelade nicht ausstehen.«
»Warum hast du das deiner
Mutter nie gesagt?«
»Sie würde fragen, was ich
lieber hätte, würde ich sagen Erdbeermarmelade, müßte ich bis an mein
Lebensende Erdbeermarmelade essen. Kennst du eine Marmelade, die man bis an
sein Lebensende essen möchte? Nur wenn du eine Marmelade wärst, wüßt ich eine
Antwort!«
Ich lachte. »Morgen kaufe ich
verschiedene Marmeladensorten, und dann werden wir deine Mutter an deinen
wechselhaften Marmeladengeschmack gewöhnen. Und nächstes Jahr pflanzen wir
Rosen statt Johannisbeeren!« Das war eine Idee, die mich begeisterte. »Und
Tulpen statt Tomaten!«
Benedikt hatte nichts dagegen.
So wild ist er gar nicht auf Tomaten.
Dann diskutierten wir die
Vorteile und Nachteile von Teppichboden und Holzboden. Teppichboden ist
eleganter, aber langweiliger. Teppichboden kostet viel Geld,
Holzbodenrenovieren viel Zeit. Benedikt sagte, er verlasse sich blind auf
meinen Geschmack. Wir küßten uns zwischen den Beerensträuchern.
Ehe wir die Johannisbeeren in die
Küche brachten, schärfte ich Benedikt ein, seine Mutter nach dem Zeitungspapier
zu fragen. Es war zwar leicht blöd, Benedikt vorzuschieben, aber praktischer.
Ich habe nie Wert darauf gelegt, aus Problemchen ein Emanzipationsdrama zu
machen. Meine Devise: Jeder soll machen, was er oder sie am besten kann.
»Ich brauch Zeitungspapier«,
sagte Benedikt, »Viola will Medis Zimmer renovieren.«
»Meinst du, daß das nötig ist?
Ich finde, das sollte Medi selbst entscheiden.«
Ich war sprachlos. Wie stellte
sich Nora mein Leben hier vor? »Bitte, komm mal mit«, sagte ich zu Benedikt und
ging ins Spielzimmer.
»Deine Schwester hat heute
nachmittag deutlich gesagt, daß ich ihr Zimmer haben kann. Was soll das Theater
deiner Mutter?«
»Sieht so aus, als wären wir
kurz vor unserem ersten Krach«, seufzte Benedikt. »Was soll ich machen,
Herzchen?«
»Ruf Mercedes an, sie soll es
deiner Mutter bestätigen.«
»Sehr gute Idee. Wird sofort
realisiert.« Er ging ins Wohnzimmer zum Telefon. Mercedes’ Nummer war besetzt.
»Medi ist immer sehr schwer zu
erreichen«, sagte Benedikts Mutter, »ständig rufen Freunde bei ihr an.«
Im Fernsehen lief ein Krimi —
ein Familiendrama um einen verschwundenen Sohn und eine tote Katze. Das Warten
auf das Freizeichen bei Mercedes war spannender als der Krimi.
Als es endlich klappte, sagte
Benedikt: »Aha, Schwesterherz, du hast das gleiche Programm eingeschaltet wie
wir.« Dazu schien seine Schwester viel zu sagen zu haben, jedenfalls dauerte es
lange, bis Benedikt wieder zu Wort kam: »Mutti meint, wir sollten dich in aller
Förmlichkeit darum bitten, daß Viola dein Zimmer renovieren darf.«
Auch darauf antwortete sie
ziemlich viel.
Plötzlich sagte Benedikt: »Ist
das dein Ernst?« Und nach einer langen Antwort von ihr schließlich: »Ich werd’s
ausrichten« und legte auf.
Als er auflegte, war auch der
Krimi zu Ende: Die Mörderin hatte Selbstmord begangen.
Benedikt sagte: »Medi möchte
für ihr Zimmer 350 Mark Miete.«
»Medi ist die Großzügigkeit in
Person«, sagte Nora prompt. »Warum hat sie das nicht gleich gesagt?« Lässig
ging ich hinüber ins Spielzimmer, nahm aus dem Umschlag in meiner Handtasche
350 Mark und legte sie vor Nora auf den Mosaiktisch.
»Medi fällt es so schwer, über
Geld zu reden«, sagte Nora, »eigentlich hätte sie erwartet...«
Ich unterbrach sie und sagte zu
Benedikt, als wäre Nora gar nicht anwesend: »Kannst du mir jetzt das
Zeitungspapier besorgen? Ich brauche viel, ich werde das Zimmer vollständig
renovieren.«
Benedikt grinste mir zu: »Und
den Schrank mit den Illustrierten möchtest du bestimmt nicht in deinem Zimmer
behalten. Sollen wir ihn auf den Müll schaffen?«
Der Schrank könnte vielleicht
vorläufig auf den Flur, meinte Nora zögernd. Dann brachte sie eine alte
Zeitung, mehr hätte sie nicht, ich hätte alle beim Fensterputzen verbraucht.
»Dann eben alte Illustrierte.«
Widerwillig zeigte sie mir in
der Besenkammer einen Stapel ausgemusterteter Illustrierte, in denen nichts
über die Fürstin von Monaco stand, die dürfte ich nehmen. Na also.
»Medis Mietforderung grenzt an
Mietwucher«, sagte Benedikt, als wir im Bett lagen, »das ist doppelt soviel,
wie ich an deinen Vater bezahlt habe.«
»Das ist mir egal.« Und ich
meinte es auch so. »Hauptsache, niemand kann behaupten, ich würde mich von dir
aushalten lassen. Und dieses Gefühl ist
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