Der Mann, der's wert ist
abzuzählen, als
müßte sie befürchten, die bloße Anwesenheit von Sandy könnte ihren Besitz
gefährden.
Sandy wirkte wie eine
Respektsperson. Das lag auch an ihrem Blazer und der Bluse mit Schleifenkragen
à la Stewardeß. Überhaupt sah sie aus wie eine Stewardeß, nur lächelte sie
nicht so gestreßt. Charmant zupfte sie Herrn Wöltje am Ohr: »Ich weiß nicht, ob
ich’s erzählen darf, nur wenn du dich nicht aufregst, stell dir vor, an der Bushaltestelle
hat mich ein Exhibitionist belästigt.«
Herr Wöltje regte sich sofort
furchtbar auf: »Hat er dich angefaßt?«
»Er starrte mir auf den Rock,
als wollte er mich mit den Augen ausziehen. Richtig unappetitlich.«
»Du hättest ihm in die Eier
treten sollen, da ziehen diese Typen schnell den Schwanz ein«, sagte Gerhard.
Sandy schenkte ihm einen
ernsthaft bewundernden Blick.
»Du scheinst häufig von
Exhibitionisten belästigt zu werden«, sagte Tanja zu Gerhard. »Wußte gar nicht,
daß es schwule Exhibitionisten gibt.«
Gerhard reagierte nicht darauf.
Er sagte zu Sandy: »Ihr Frauen seid doch im Vorteil mit euren spitzen
Stöckelschuhen. Ich würd dem ein Loch ins Ei treten.«
»Danke für den guten Rat«,
sagte Sandy ernsthaft.
»Du darfst nicht so spät
weggehen, jetzt ist es um sechs stockfinster!« Herr Wöltje war hochbesorgt.
»Hätte ich einen Wagen, wär das
kein Problem«, sagte Sandy. »Mein Vater wollte mir ja einen zum Abi schenken,
aber ich brauch ihn schon jetzt.«
»Du mußt nur früher weggehen«,
sagte Herr Wöltje.
Angela sagte, auch sie werde
ständig von Exhibitionisten belästigt. Mir ist das noch nie passiert. Ich wurde
fast neidisch. Sandy sagte, sie hätte nicht früher weg können, sie hätte bügeln
müssen.
»Bitte, nicht du auch noch!«
rief Detlef.
Herr Wöltje sagte: »Habt ihr
Frauen kein anderes Thema?!«
»Hab ich was Dummes gesagt?«
fragte Sandy.
»Im Gegenteil«, sagte Tanja.
Aber dann erklärte Sandy, sie
könnte beim Bügeln am besten Französisch-Vokabeln lernen, und sie schreibe
übermorgen eine Arbeit, nur deshalb hätte sie gebügelt.
»Siehst du«, sagte Detlef zu
Tanja, »man kann von allem die positive oder die negative Seite sehen.«
Tanja stand auf, nun reiche es
ihr endgültig. »Kommst du mit, oder fährst du mit dem Bus?« fragte sie Detlef.
Sie ließ sich nicht überreden, länger zu bleiben. Und obwohl Detlef gerne
geblieben wäre, ging er mit.
Als sie weg waren, sagte Herr
Wöltje: »Jetzt fährt er die Xanthippe brav nach Hause. Die hätte ich im Regen
stehenlassen.«
»Das Auto gehört ihr, und sie
fährt ihn nach Hause«, sagte Benedikt.
»Diese Dame hätte ich an seiner
Stelle längst vor die Tür gesetzt«, sagte Herr Wöltje.
»Auch die Wohnung gehört ihr.«
Dann beschlossen wir, endgültig
das Thema zu wechseln. Gerhard kam auf seinen Volleyball-Verein zu sprechen.
Benedikt sollte Mitglied werden. Denn zwei aus Gerhards Team wurden im Frühjahr
Vater und konnten bereits jetzt nicht mehr zum Training kommen, weil sie mit
ihren Frauen zur Schwangerschaftsgymnastik mußten. Und die künftigen Väter
wußten nicht, wie lange es nach der Geburt dauern würde, bis sie wieder
Volleyball spielen könnten. Benedikt war begeistert, wenn man den ganzen Tag im
Büro sitzt, braucht man sportlichen Ausgleich. Gleich am nächsten Freitag,
direkt nach dem Büro würde er mit Gerhard zum Training gehen.
Herr Wöltje hatte kein
Interesse an Volleyball. Er brauche, um fit zu bleiben, nur seinen
Schönheitsschlaf. Er zwinkerte uns bedeutungsvoll zu.
»Ja«, sagte Sandy, sehr
unschuldig und gleichzeitig sehr erwachsen. Damit verabschiedeten sich die
beiden.
Ich ging bei der Gelegenheit
aufs Klo. Als ich zurückkam, saß Angela auf meinem Platz neben Gerhard. Sie
lästerte über Tanja. Detlef könne leicht eine bessere finden. Als ich meinte,
daß die beiden Kompromisse finden müssen, einer bügelt, und der andere macht
was anderes im Haushalt, sagte Angela, solche Kompromisse seien immer faul.
Dann lästerte sie über Sandy. Herr Wöltje hätte ihr gestanden, daß Sandy nicht
mal Kaffee kochen könne. Höchstens im Bett hätte eine Sandy was zu bieten. Auf
Dauer sei das zu wenig.
Aber Gerhard fand Sandy toll.
Ihm würde es nichts ausmachen, eine bedeutend jüngere Freundin zu haben, wenn
sie so natürlich sei wie Sandy.
Benedikt sagte: »Ich brauche
keine bedeutend jüngere Freundin, jung bin ich selber.«
Angela lachte, als sei sie die
einzige nicht bedeutend jüngere Frau: »Also Herr
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