Der Mann im braunen Anzug
den Arm. Selbst die tüchtige Miss Pettigrew entkam uns nicht, obwohl ich das Gefühl hatte, dass sie mich nicht mochte. Sie vermied es nach Möglichkeit, mit mir zusammenzutreffen. Und das Komische dabei war, dass mir ihr Gesicht so bekannt vorkam, obgleich ich mir absolut nicht vorstellen konnte, sie schon mal gesehen zu haben.
Wir faulenzten den ganzen Vormittag und fuhren nach dem Lunch zu den Matopobergen, zum Grab von Cecil Rhodes. Das heißt, wir hatten alle die Absicht, dorthin zu fahren, aber plötzlich setzte Sir Eustace sein Schmollgesicht auf und hatte keine Lust dazu. Miss Pettigrew, als perfekte Angestellte, schloss sich natürlich sofort an. Und im letzten Augenblick erklärte auch Suzanne, zu müde zu sein. Also fuhren Colonel Race und ich allein.
Er ist ein eigentümlicher Mensch. Besonders wenn man mit ihm allein ist, wirkt seine Persönlichkeit erdrückend. Er spielt den großen Schweiger, aber sein Schweigen sagt mehr als tausend Worte.
So war es auch an diesem Tag, als wir durch das gelblich braune Buschwerk auf die Berge zurollten. Unser Wagen schien das allerälteste Modell eines Ford zu sein. Seine Polster hingen in Fetzen, von Federung gar keine Rede, und auch mit dem Motor war offensichtlich etwas nicht in Ordnung.
Nach und nach veränderte sich das Landschaftsbild. Riesige Felsblöcke in phantastischen Formen tauchten auf, und ich hatte das Gefühl, mich mitten in der Steinzeit zu befinden.
Endlich erreichten wir den Platz, wo Cecil Rhodes ruhte. Lange Zeit saßen wir schweigend da. Dann begannen wir den Abstieg von einer anderen Stelle aus. Es war eine mühsame Kletterei, und einmal kamen wir zu einer steilen Felsspalte, die fast senkrecht in die Tiefe stürzte.
Colonel Race überquerte sie zuerst, dann drehte er sich zu mir um. «Es ist besser, wenn ich sie hinüberhebe», sagte er und schwang mich mit einer raschen Bewegung auf den sicheren Grund. Ich fühlte seine Kraft, als er mich niedersetzte und losließ. Und wieder wurde mir angst in seiner Nähe, denn er trat nicht zur Seite, sondern blieb dicht vor mir stehen und blickte mir in die Augen.
«Was tun Sie eigentlich hier, Anne Beddingfeld?», fragte er.
«Ich bin eine Zigeunerin und sehe mir die Welt an.»
«Ja, das stimmt. Reporterin? Das ist nur ein Vorwand. Sie ziehen auf eigene Faust los und versuchen das Leben zu packen. Doch das ist nicht alles.»
Was für Bekenntnisse erwartete er von mir? Ich hatte Angst. Doch mein Blick war offen, als ich ihn ansah. «Ich gebe die Frage zurück: Was tun Sie hier, Colonel Race?», entgegnete ich.
Erst glaubte ich, er würde nicht antworten; jedenfalls schien er verblüfft. Doch dann lag in seinen Worten ein grimmiges Vergnügen.
«Meinem Ehrgeiz nachjagen», sagte er. «Ja, das ist der richtige Ausdruck.»
«Man behauptet», fuhr ich langsam fort, «dass Sie mit dem Geheimdienst zu tun haben – ist das wahr?»
Bildete ich es mir nur ein, oder zögerte er wirklich?
«Ich kann Ihnen versichern, Miss Beddingfeld, dass ich ausschließlich als Privatperson hier bin und zu meinem eigenen Vergnügen reise.»
Als ich später über diese Worte nachdachte, erschienen sie mir ziemlich zweideutig. Vielleicht war das seine Absicht.
Wir sprachen nicht mehr, bis wir zum Wagen kamen, und schweigend verlief auch die erste Hälfte der Rückfahrt. Plötzlich ergriff er meine Hand.
«Anne», sagte er mit sanfter Stimme, «ich brauche Sie – wollen Sie mich heiraten?»
Ich war völlig bestürzt.
«O nein», stammelte ich, «nein, das kann ich nicht.»
«Weshalb nicht?»
«Weil… weil ich Sie nicht liebe.»
«Ich verstehe. Ist das der einzige Grund?»
Die Frage musste ehrlich beantwortet werden, mindestens das schuldete ich ihm.
«Nein», sagte ich. «Es ist nicht der einzige Grund. Ich liebe einen anderen Mann.»
«Ich verstehe», wiederholte er. «Und war das schon so, als ich Sie kennen lernte? Ganz zu Beginn, auf der Kilmo r den?»
«Nein», flüsterte ich. «Es geschah… später.»
«Ich verstehe», sagte er zum drittenmal, doch jetzt war ein entschlossener Klang in seiner Stimme, der mich erschreckte. Sein Gesicht war grimmiger denn je.
«Was… wollen Sie… damit… sagen?», stammelte ich.
Er blickte mich an, rätselhaft, beherrscht.
«Nun, jetzt weiß ich wenigstens, was ich zu tun habe.»
Seine Worte ließen mich erschauern. Es lag eine Entschlossenheit darin, die ich nicht begriff und die mich ängstigte.
Wir sprachen kein Wort mehr, bis wir im Hotel waren. Ich
Weitere Kostenlose Bücher