Der Mann im braunen Anzug
ging sofort zu Suzanne. Sie lag auf ihrem Bett und las und sah nicht im Geringsten müde aus.
«Hier ruht die taktvolle Anstandsdame», begrüßte sie mich. «Aber Anne, was ist denn los mit dir?»
Ich war in Tränen ausgebrochen.
«Nichts, nichts, nur die Nerven», murmelte ich. Nein, über Colonel Race konnte ich nicht sprechen, das wäre nicht anständig ihm gegenüber. Aber Suzanne ist klug; sie fühlte natürlich sofort, dass ich ihr etwas verheimlichte.
«Du hast dich hoffentlich nicht erkältet, Anne? Das klingt zwar lächerlich bei dieser Hitze, aber du hast ja einen richtigen Schüttelfrost.»
Ich versuchte zu lachen. «Es sind wirklich nur die Nerven. Ich habe das Gefühl, dass etwas Furchtbares geschehen wird.»
«Das ist Unsinn, Anne», sagte Suzanne entschieden. «Wir wollen lieber über wirkliche Dinge reden, über diese Diamanten…»
«Was ist mit ihnen?»
«Sie sind bei mir nicht mehr in Sicherheit. Jetzt, da wir befreundet sind, verdächtigt man mich genauso wie dich.»
«Kein Mensch weiß, dass sie in dieser Filmkapsel sind», wandte ich ein. «Das ist ein ausgezeichnetes Versteck, ein besseres könnten wir niemals finden.»
Zögernd stimmte sie mir zu; doch dann meinte sie, wir müssten über die Sache noch einmal sprechen, sobald wir bei den Victoriafällen seien.
Unser Zug fuhr um neun Uhr. Sir Eustace befand sich noch immer in schlechter Laune, und Miss Pettigrew sah sehr bedrückt aus. Colonel Race verhielt sich wie immer, und ich hatte das Gefühl, ich müsse unsere Unterhaltung nur geträumt haben.
Ich schlief schlecht in dieser Nacht auf meiner harten Bank und träumte von drohenden Gefahren. Mit bösen Kopfschmerzen wachte ich auf und tastete mich zur Aussichtsplattform unseres Wagens. Die Luft war frisch und angenehm, und so weit der Blick reichte, erhoben sich wellige, bewaldete Hügel.
Um halb drei riss mich Colonel Race aus meiner Versunkenheit und wies auf einen weißen Nebel, der über einem Hügel aufstieg.
«Der Wasserstaub der Victoriafälle», sagte er. «Bald werden wir dort sein.»
Noch immer hüllte mich das seltsame, erregende Traumgefühl ein, das mir einreden wollte, ich sei heimgekommen! Und doch hatte ich dieses Land noch nie gesehen.
Wir gingen zu Fuß vom Bahnhof zum Hotel, einem großen weißen Gebäude, dessen Fenster mit Moskitonetzen abgedichtet waren. Wir traten auf die Terrasse hinaus – und ich stieß einen Ausruf des Entzückens aus. Vor uns sprühten und brausten die Fälle, wenige hundert Meter entfernt. Noch nie hatte ich etwas so Großartiges, so Herrliches gesehen.
«Anne, du bist wie verzaubert», sagte Suzanne, als wir uns zu Tisch setzten.
Sie blickte mich verwundert an.
«Bin ich wirklich verzaubert?», fragte ich lachend, aber mein Lachen klang gezwungen. «Es ist so unaussprechlich herrlich.»
«Ja, das ist es.»
Ich war nicht nur glücklich – ich hatte auch das bestimmte Gefühl, dass sich hier bald etwas ereignen würde. Und ich wartete, unruhig, erregt, voller Spannung.
Nach dem Tee gingen wir zu den Fällen, überschritten die Brücke und folgten einem Pfad, der, beidseitig mit weißen Steinen markiert, die tiefe Kluft entlangführte. Schließlich erreichten wir eine Lichtung, von der links ein schmaler Weg zur Schlucht hinunter abbog.
Wir beschlossen jedoch, uns den Abstieg bis morgen aufzusparen, und unternahmen stattdessen noch einen Spaziergang bis zum Regenbogenwald.
Erst kurz vor dem Abendessen erreichten wir das Hotel. Sir Eustace schien eine geheime Abneigung gegen Colonel Race gefasst zu haben. Nach dem Essen zog er sich in sein Zimmer zurück und befahl Miss Pettigrew, ihm zu folgen. Wir anderen blieben noch eine Weile sitzen. Doch bald erklärte Suzanne gähnend, sie sei zum Umfallen müde und wolle schlafen gehen. Da ich keine Lust hatte, mit Colonel Race allein zu bleiben, schloss ich mich ihr an.
Zum Schlafen war ich jedoch viel zu aufgeregt; ich zog mich nicht einmal aus, sondern lehnte mich in meinen Sessel zurück und träumte. Und ständig hatte ich das Gefühl, dass etwas geschehen würde – bald – jetzt – gleich…
Ein Klopfen an meiner Tür ließ mich auffahren. Ich öffnete. Ein kleiner schwarzer Junge hielt mir einen Brief hin. Er war in einer mir unbekannten Handschrift an mich adressiert. Ich nahm ihn, kehrte ins Zimmer zurück und riss den Umschlag auf. Sein Inhalt war sehr kurz:
Ich muss Sie sehen, doch ich wage es nicht, ins Hotel zu kommen. Wollen Sie mich bei der Lichtung oberhalb
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