Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Plötzlich ließ Janey seine Hand los. »Danke«, sagte sie. Sie ging ganz nach hinten und setzte sich.
Als Tom wieder draußen war, tat ihm die frische Luft gut. Er fuhr zum Bahnhof und wartete auf seinen Zug, indem er den Bahnsteig auf und ab schritt.
So ein Schulgebäude sollten sie nicht haben, dachte er. Kein Kind sollte so eine Schule haben. In Westport war es nicht so. Es geht nicht nur darum, dass ich es mir nicht leisten kann, meine Kinder auf eine Privatschule zu schicken.
Was für Schulen sie wohl für die armen Kinder in Rom haben, dachte er. Plötzlich fiel ihm ein, wie leicht er es in seiner Kindheit gehabt hatte. In der alten South Bay Country Day School hatten die Klassen jeweils zehn, höchstens fünfzehn Kinder gehabt, und oft waren Lehrer und Schüler in dem großen Wohnzimmer der alten Villa zusammengekommen, die zur Schule umgewandelt worden war, und alle hatten sie auf zu dick gepolsterten Sesseln gesessen. Wie weich mir alles gemacht worden war, dachte er. Weil auch sein Vater auf die South Bay Country Day School gegangen war und weil seine Großmutter der Schule früher großzügige Spenden gemacht hatte, war die alte Miss Trilly, die Schulleiterin, zu Tom besonders nett gewesen und hatte einmal einen Lehrer streng zurechtgewiesen, weil der ihn zu grob getadelt hatte. Vielleicht ist es für meine Kinder besser, wenn sie so anfangen, wie es jetzt ist, dachte er, als er den Bahnsteig auf und ab ging. Vielleicht müssen sie dann später weniger lernen.
» Flegel! Kleine Flegel! Die kommen von der Staatsschule! «
Er erinnerte sich, wie diese Worte von Miss Trilly mit hoher, leicht näselnder, indignierter Stimme gesprochen wurden – sie hatte sie oft gesagt. Die Staatsschulkinder waren häufig auf dem Schulhof der Country Day School eingefallen, um auf den Rutschen und Schaukeln zu spielen. Manchmal hatten sie auch einen Streit mit den Country-Day-Kindern vom Zaun gebrochen, und das hatte dann Miss Trillys Zorn geweckt.
»Die sind von der Staatsschule «, hatte sie gesagt und es leicht abschätzig betont, was keinem der Kinder verborgen geblieben war.
Tom fragte sich, ob Janey und Barbara sich jemals auf den Spielplatz der Country Day School schleichen würden, um dort zu rutschen und zu schaukeln, und ob Miss Trilly oder ihre Nachfolgerin dann sagen würden: »Die sind von der Staatsschule !«
Eigentlich ist es egal, dachte er nun, als er das Ende des Bahnsteigs erreichte und sich wieder in die Gegenrichtung wandte. Die Menschen sind hart, sogar die Kinder. Aber mein Gott, ich sollte doch etwas tun können. Es ist keine besonders demokratische Tugend, so viele Kinder in so eine Schule zu zwängen. Janey lernt nicht gerade viel, wenn sie im Eingang umgestoßen wird.
Geld, ich brauche Geld, dachte er. Wenn sie keine neue Staatsschule bauen, sollte ich mir doch eine Privatschule leisten können. Ich sollte mir alles außer Geld aus dem Kopf schlagen und wirklich für Hopkins arbeiten. Eigentlich sollte ich jetzt bei der Arbeit sein. Er schaute auf die Uhr und sah, dass es Viertel nach neun war – der Zug hatte Verspätung.
Geld, dachte Tom. Mit dem Bauprojekt ließe sich Geld machen, aber das hängt von der Änderung des Flächennutzungsplans ab, und Bernstein hat gesagt, wir sollten erst danach fragen, wenn für eine neue Schule gestimmt worden ist.
Eine neue Schule, dachte er – so viel hängt davon ab! Bernstein sagt, es wird dazu eine Anhörung geben und dass viele dagegen sind. Ich sollte mir die ganzen Details besorgen. Ich sollte für eine neue Schule arbeiten, und ich sollte härter für Hopkins arbeiten, und ich sollte Pläne für unser Bauprojekt machen. Wie bin ich nur auf die Idee gekommen, dass das Leben etwas anderes als Arbeit sein soll? Arbeit sollte die Freude des Mannes sein – mehr sollte ich nicht erwarten.
Von fern ertönte die Zugsirene. Er mischte sich in die rempelnde Menge, die in den Zug drängte, dann saß er da, das Kinn auf der Brust, und grübelte über die Schule seiner Töchter.
35
Zwei Tage später zog Tom in Hopkins’ Vorzimmer. Er setzte sich an einen Schreibtisch in der Ecke – es war nötig geworden, Miss MacDonalds Schreibtisch und die der beiden Schreibdamen zu verlagern, um Platz für ihn zu machen: Die Unterbringung eines persönlichen Assistenten war in Hopkins’ Büro nicht vorgesehen.
Miss MacDonald wirkte von der Veränderung ganz durcheinander. Sie saß an ihrem Schreibtisch und blätterte nervös in Korrespondenzen, und jedes Mal,
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