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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sloan Wilson
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bekam er ja in ein paar Tagen einen Brief, der mit den Worten begann: »Wir haben uns ungeheuer gefreut, mit Ihnen zu sprechen, aber leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass unsere Pläne sich geändert haben …«
    Walker quälte sich auf die Beine. »Ich muss wieder zurück«, sagte er. »War sehr nett mit Ihnen, Mr Rath.«
    Er klang freundlich, aber unverbindlich. Ogden machte keine Anstalten aufzustehen. »Bis später«, sagte er zu Walker und schenkte sich noch einen Kaffee ein.
    Vielleicht sagt er es mir jetzt, dachte Tom. Vielleicht ist er ja einfach offen und sagt: »Es tut mir furchtbar leid, aber es hat nicht geklappt …« Trotzdem, woher konnte er wissen, was Hopkins gedacht hatte? Er hatte nicht die Gelegenheit gehabt, mit Hopkins zu sprechen, solange Tom dabei war. Vielleicht haben sie ja Zeichen, dachte Tom. Daumen runter.
    »Das war ein sehr schönes Mittagessen«, sagte Tom zögernd. »Haben Sie vielen Dank.«
    »Schön, dass Sie kommen konnten«, sagte Ogden. »Noch einen Kaffee?«
    Kaffee war das Letzte, was Tom wollte, aber offenbar wollte Ogden noch nicht, dass er ging. Er nahm den Kaffee an und wartete. Ogden saß da, starrte ausdruckslos aus dem Fenster und sagte lange Zeit keinen Ton. Die Spannung stieg. Tom konnte sich nicht entscheiden, ob Ogden einfach nur vollkommen sachlich bezüglich des Essens war oder ob das ein bewusster Akt von Grausamkeit war.
    »Wir melden uns schon bald bei Ihnen«, sagte Ogden endlich. »Mr Hopkins muss morgen an die Westküste fliegen, und möglicherweise werden wir warten müssen, bis er zurück ist, bevor eine Entscheidung fällt. Bis dahin würde ich an Ihrer Stelle mit gar nichts groß rechnen. Es steht noch nicht einmal ganz fest, ob wir dieses Projekt mit der psychischen Gesundheit überhaupt anpacken wollen.«
    »Das verstehe ich«, sagte Tom und fügte rasch hinzu: »Ich muss jetzt zurück ins Büro – nochmals danke für das Essen.«
    Fast flüchtete er vom Tisch. Wenn er an Hopkins dachte, schien es ihm sicher, dass er die Stelle bekam, denn wenn Hopkins ihn nicht gemocht hatte, warum war er dann so freundlich? Doch Ogden hatte darauf geachtet, die Tür für einen Brief offen zu halten, der das Ganze beendete. Immerhin habe ich jetzt Hopkins kennengelernt, dachte Tom. Er scheint ein ganz netter Kerl zu sein, eigentlich wie jeder andere auch. Was es auch ist, das ihn gut für zweihunderttausend Dollar im Jahr macht, es ist jedenfalls bestens verborgen.

8
    Als Tom in sein Büro kam, lag auf seinem Schreibtisch ein Zettel, seine Frau habe angerufen und es sei wichtig, dass er zurückriefe. Sogleich ließ er sich durchstellen.
    »Es geht um deine Großmutter«, sagte Betsy. »Sie ist gestürzt und hat sich den Oberschenkel gebrochen. Tommy, in ihrem Alter wachsen Knochen nicht mehr zusammen. Sie will dich sehen, und es ist wohl das Beste, du fährst gleich hin. Ich wäre ja selbst hingefahren, aber ich fühle mich doch noch ziemlich wackelig, auch ist der Arzt bei ihr – es ist also kein richtiger Notfall.«
    »Ich fahre gleich los«, sagte Tom.
    Der nächste Zug nach South Bay war ein Nahverkehrszug, der fast alle fünf Minuten hielt. Tom saß auf einem verdreckten grünen Sitz im Raucher und starrte aus dem Fenster. Er wollte nicht nachdenken. Anfangs gab es nur die dunklen Gewölbe der Grand Central Station zu sehen mit matten Gestalten müde wirkender Männer in Overalls, die hin und wieder von nackten Glühbirnen erhellt wurden. Dann fuhr der Zug hinaus ins helle Sonnenlicht und war umgeben von den müllübersäten Straßen und den trostlosen Backsteinmietskasernen Harlems. Tom hatte sie jahrelang zweimal täglich passiert und meistens gar nicht hingesehen, jetzt aber wollte er nicht an seine Großmutter denken und auch nicht an Hopkins, deshalb fesselten die Wohnblocks nun seine Aufmerksamkeit. An einem verrußten Ziegelbau war eine riesige Reklametafel mit einem schönen, zehn Meter langen Mädchen, das unter einer Palme lag. »Fliegen Sie nach Miami«, stand auf dem Plakat. Direkt unter dem Kopf des Mädchens, knapp zwei Meter unterm Rand der Tafel, war ein offenes Fenster, vor das eine Orangenkiste gebunden war. In der Orangenkiste war ein Blumentopf mit einer welken Geranie darin, und gerade als der Zug vorbeifuhr, beugte sich eine alte farbige Frau mit eingefallenen Wangen aus dem Fenster und goss Wasser aus einer Milchflasche in den Topf.
    »Die Fahrkarten«, sagte der Schaffner, ein stämmiger, rotgesichtiger Mann. Tom reichte ihm sein

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