Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
seltsam, dass er sich nur wegen Maria Gedanken machte, dachte Tom – bestimmt würde Gardella ihm den Tod Mahoneys nicht zur Last legen. Es war ein Unfall gewesen – das hatte Caesar bestimmt eingesehen. Womöglich erinnerte sich Caesar gar nicht mehr an Mahoney. Aber falls Maria einen Sohn oder eine Tochter hatte und falls Caesar ihr erzählte, wo Tom war, dann konnte das durchaus etwas ganz anderes sein. Eine Geburt hat meistens mehr zur Folge als ein Tod.
Plötzlich klingelte Toms Telefon. Es war Dick Haver, der von seinem Büro auf der anderen Seite des Flurs anrief. »Tom, könnten Sie vielleicht kurz vorbeikommen?«, fragte er.
»Sicher«, sagte Tom. »Sehr gern.«
13
»Vor ein paar Minuten hat mich Mr Hopkins angerufen«, sagte Dick, »und gefragt, ob ich Sie dort ab nächster Woche arbeiten lassen könnte. Ich nehme also an, Sie sind zu einer Entscheidung gelangt.«
»Das wollte ich Ihnen heute Vormittag sagen«, sagte Tom. »Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, Sie …«
»Verstehe. Ich habe Hopkins gesagt, von uns aus gesehen könnten Sie da auch gleich anfangen.«
Das gefiel Tom überhaupt nicht – Dick hatte ihn damit nicht gerade als sehr wertvoll bezeichnet. »Na gut«, sagte er zögernd. »Ich bin Ihnen auf jeden Fall für alles, was Sie hier für mich getan haben, sehr dankbar.«
»Wir müssen uns ja nicht verabschieden«, sagte Dick. »Gehen wir doch ab und zu mal zu Mittag essen.«
Tom ging zurück in sein Büro, um seinen Schreibtisch leer zu räumen. Einige Dinge muss ich noch für mich klären, dachte er. Dass Caesar Gardella bei United Broadcasting Fahrstuhlführer ist, ändert nichts. Rein gar nichts. Die Vergangenheit ist, was sie eben war, und ich kann nicht jedes Mal die Nerven verlieren, wenn ich einen Fahrstuhl betrete. Meine Nerven haben bis jetzt gehalten, und sie werden es wohl auch weiterhin tun. Ob Caesar mich erkennt oder nicht, ändert auch nichts. Ich muss mich wegen nichts schämen, jedenfalls nicht mehr, als ich es getan habe, bevor ich wusste, dass Caesar einen Fahrstuhl bedient. Mahoney war nicht der Erste, der in der Hitze des Gefechts von den eigenen Leuten getötet wurde – der alte Hank würde das mehr als jeder andere verstehen. Und Maria nimmt mir nichts übel. Wir haben einander verstanden. Allerdings würde ich gern wissen, ob sie wirklich ein Kind bekommen hat. Und auch, ob Caesar es weiß. Wenn er mich erkannt hat, warum hat er nichts gesagt?
Nein, dachte Tom, so darf es nicht weitergehen. Zwischen Frieden und Krieg muss eine klare Grenze gezogen werden. Die Vergangenheit ist etwas, was man am besten vergisst, nur theoretisch ist sie die Mutter der Gegenwart. Praktisch ist sie nur ein völlig bezugsloser Traum, eine Schreckenskammer. Und die meiste Zeit steht die Gegenwart in keinem Bezug zur Zukunft. Sie ist eine abgetrennte Welt, jedenfalls ist es besser, das so zu sehen, wenn man kann, und es ist nicht Sache eines Fahrstuhlführers, einfach aufzutauchen und ein Bindeglied zu bilden. Die Vergangenheit ist vorbei, dachte Tom, und ich will nicht darüber grübeln. Das kann ich mir nicht leisten. Dafür trage ich zu viel Verantwortung. Jetzt ist Frieden, und ich will den Krieg vergessen.
Komisch, dachte Tom – komisch, wie die Welt läuft. Man bringt seinen Kindern in aller Aufrichtigkeit bei: »Du sollst nicht töten«. Man schickt sie zum Tanzunterricht, zum Tennisunterricht, zum Musikunterricht. Man bringt ihnen Latein bei und wie man sich ordentlich anzieht. Man bringt ihnen Selbstachtung bei, wenn man kann. Das alles hatte mein Vater wohl gelernt, als er klein war, und das alles habe auch ich gelernt, und wenn ich kann, bringe ich das alles auch meinem Sohn bei. Und wenn ich kann, bringe ich ihm auch bei, sein Land zu verteidigen. Wenn er muss, hoffe ich, dass auch er ein harter Hund sein wird.
» Also, Männer, das ist ein Gewehr. Hat einer von euch etwa noch kein Gewehr gesehen? «
Tom erinnerte sich an den Sergeant, bei dem er die Grundausbildung gemacht hatte, ein hohlwangiger Mann mit ausdrucksloser Stimme, der ihn im Jahr 1942 ausgebildet hatte. Die Rekruten hatten gelacht, als er sagte: »Hat einer von euch etwa noch kein Gewehr gesehen?« Alle Sergeants in allen Generationen sagen dasselbe, und alle Rekruten lachen über dieselben Witze.
» Na gut. Das ist ein Gewehr, und hier ist meine andere Hand. Darin halte ich ein Bajonett. Hat einer von euch etwa noch kein Bajonett gesehen? «
Darüber lachte keiner. Die Rekruten, die einen Kreis
Weitere Kostenlose Bücher