Der Mann im Park: Roman (German Edition)
ganz normal geredet. Aber irgendwas hat mir gesagt, dass er nicht von hier war.«
»Woher kann er kommen? Norden, Süden?«
»Ich weiß es nicht, aber da war etwas an seiner Art zu reden … Ich kann das nicht genau einordnen. Man hört es kaum, aber ich habe das Gefühl, dass er nicht von hier stammt.«
Stierna überlegte, ob er irgendwo hier aus der Nähe kam. Aus Enköping? Hallstavik? Oder kam er von weiter her, hatte seinen alten Dialekt abgelegt und sich angepasst, aber es war ihm nicht geglückt, das Alte ganz abzuschütteln?
»Sie haben gesagt, dass er anfangs mit in der Gruppe saß, wenn Sie Geschichten erzählt haben. Dass er unter denen am Tresen stand, die zuhörten. Was ist dann passiert?«
»Später saß er nur für sich allein da.«
»Warum saß er für sich allein da?«
»Ich weiß es nicht. Er ist es wohl leid gewesen, wollte lieber seine Ruhe haben. Er ist so ein Gast, der seine Ruhe haben will. Und das respektiere ich.«
Stierna knöpfte seine Jacke auf. Eigentlich nur, um etwas zu tun zu haben, so warm war es hier drinnen gar nicht.
»Sie sagen, er ist das erste Mal im Februar oder März hier gewesen. Was meinen Sie, hat er sich im Laufe der Zeit irgendwie verändert?«
Der Barkeeper rieb sich die Hände. Langsam, methodisch. Er war vollkommen konzentriert, ganz anders als zu Anfang.
»Vielleicht klingt es lächerlich, aber da war etwas mit den Zigaretten. Er hat geraucht, vom ersten Tag an, als er herkam. Ein paar Zigaretten, ab und zu eine. Jedenfalls zu Anfang. Er hatte ein Päckchen dabei, rauchte aber mit Pausen dazwischen.«
»Welche Marke hat er geraucht?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe nie darauf geachtet.«
»In Ordnung, weiter.«
»Plötzlich hatte er immer ein Päckchen zur Hand. Plötzlich schien er die ganze Zeit zu rauchen. Wenn ich ihn so vor mir sehe … Er hat immer eine Zigarette im Mund. Sobald er eine ausdrückt, zündet er sich eine neue an. So war das früher nicht.«
»Können Sie sich erinnern, wann er anfing, Kette zu rauchen?«
»Ich kann es nicht genau sagen, aber erst vor kurzer Zeit. Im August … vielleicht September.«
»Raucht er immer noch so viel, wenn er jetzt kommt?«
»Ja, ich denke schon.«
Stierna lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er schaute in die Dunkelheit hinaus. Bald würde die Nacht anbrechen. Es war erst zehn Stunden her, seit er draußen in den Schären bei Karolina gewesen war. Er dachte daran, welche Ruhe dort geherrscht, wie sein Herz langsamer geschlagen hatte. Jetzt war der Puls der Stadt der seine. Und der pochte unerbittlicher als je zuvor.
Der Tag und der Abend waren so schnell verflogen. Unwirklich schnell. Es schien, als wäre alles auf einmal passiert. So etwas kam bei Mordermittlungen vor. Stierna wusste, er war auf der richtigen Fährte. Er trank sein Glas leer.
»Fällt Ihnen sonst noch irgendetwas ein?«
Der Barkeeper hob den Blick von der Tischplatte und sah dem Kommissar in die Augen.
»Zu Anfang, als ich ihn noch am Tresen bedient habe, hat er einmal etwas gesagt. Ich habe nie begriffen, was er meinte. Er hatte getrunken, hatte schon einen leichten Schwips. Er konnte einiges vertragen. Ich nehme an, er war es gewohnt zu trinken …«
Stierna unterbrach ihn.
»Was hat er gesagt?«
»Er sagte, ein Prost auf den Stinsen, dieses verdammte Schwein. Prostete mir zu und sagte das.«
Zum ersten Mal während des Gesprächs war Stierna verwundert.
»Das hat er gesagt?«
»Ja«, bestätigte Herbert Krohn. »Das hat er gesagt.«
»Haben Sie ihn gefragt, was er damit gemeint hat?«
»Ja. Aber er hat mir nicht geantwortet. Hob nur sein Glas. Da habe ich nicht weiter nachgebohrt.«
Visby 1953
63
Der Speisesaal war nur halb gefüllt. Aber es waren immer noch deutlich mehr Gäste da als das erste Mal, als er sich ans Klavier gesetzt hatte. Pils und Whiskyglas standen bereits da, bevor er sich setzte. Der Oberkellner war schon da gewesen, denn er wusste, was gewünscht wurde.
Stierna hatte sich gut überlegt, welche Stücke er an diesem Abend spielen sollte. Er hatte sich vorbereitet, war die Stücke im Kopf durchgegangen. Taube, Bellman, Karl Gerhard. Vielleicht würde jemand dazu singen. Er hoffte es.
Er hatte keine Angst zu versagen, aber Lampenfieber hatte er dennoch. Er war nervös, was er aus den letzten Jahren gar nicht kannte. Die Angst zu versagen, das war ein Gefühl, das er fast schon vergessen hatte.
Das schwarze Klavier glänzte wie frisch poliert. Es glänzte anders als an den vergangenen
Weitere Kostenlose Bücher