Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
Vom Netzwerk:
sich nie an sein Gesicht erinnern. Er wollte nicht auf gleicher Stufe stehen wie diese halb besoffenen Betrüger hier. Diese Idioten, die immer wieder geschnappt wurden, er verachtete ihre Amateurhaftigkeit.
    »Diese Landeier.« Es fiel ihm schwer, sich so auszudrücken, irgendwie war das immer noch neu für ihn, ungewohnt. Früher einmal war er selbst so ein Landei gewesen, das war noch gar nicht so lange her.
    Manchmal waren sie sogar hilfreich, diese Wracks am Hauptbahnhof. Die Bettler, Betrüger, die glaubten, ach so schlau zu sein, aber eigentlich nur Idioten waren. Die im Knast von Långholmen ein und aus gingen.
    Der Zug von Skövde war eingefahren. Er ging zur südlichen Wartehalle. Fand sofort sein Opfer. Ein dicker Großhändlertyp mit gepflegtem Vollbart, Hut, Weste, Anzug und Taschenuhr. Die schwere Reisetasche trug er in der rechten Hand.
    Ihm stieg der Duft von Geld in die Nase, wie schon so oft zuvor. Und er wusste, dass die Bettler und Betrüger ihn auch erschnuppern würden.
    Er folgte dem Mann auf die Straße, in gebührendem Abstand. Der Mann war auf dem Weg zum Taxistand, vielleicht wollte er in eines der großen Hotels der Stadt.
    Vor dem großen Bahnhofsportal kam ihm ein Bettler entgegen. Mit Mütze und schmutziger grauer Jacke.
    »Hätte der gnädige Herr ein paar Öre übrig? Für einen armen Mann, der etwas zu essen braucht.«
    Der dicke Mann mit dem Vollbart suchte in seiner Innentasche. Holte die Brieftasche heraus, gab dem Bettler einige Münzen.
    Der Mann, der Ingrid Bengtsson erschlagen hatte, wartete ab. Er wartete auf die Betrüger. Und er brauchte nicht lange zu warten.
    Zwei Männer in abgewetzten Mänteln kamen auf ihn zu. Der eine hielt einige Schmuckstücke hoch, die er verkaufen wollte. Wahrscheinlich irgendein falscher Tand.
    Der Vollbärtige hob die Hand, um die aufdringlichen Verkäufer abzuwehren, und stopfte die Brieftasche in eine seiner Jackentaschen.
    »Nein, danke, meine Herren«, sagte er, »ich habe es eilig.«
    Der Mann, der Ingrid Bengtsson erschlagen hatte, machte schnell einige Schritte nach vorn und schob augenblicklich die Hand in die Jackentasche des Großhändlers. Er bekam die Brieftasche zu fassen, ging damit weiter zum Taxistand. Seine Hände waren so geschickt geworden, sie stahlen, ohne dass es jemand bemerkte.
    Er ging weiter zum ersten Wagen, hörte, wie der Mann hinter ihm versuchte, sich die Betrüger vom Leib zu halten.
    Der Taschendieb nickte dem Taxifahrer zu und setzte sich auf den Rücksitz. Er nahm die Brieftasche heraus, die er gerade gestohlen hatte.
    »Wo soll es hingehen?«, fragte der Taxifahrer.
    »Zu ›Berns Salons‹.«
    Der Wagen fuhr los und glitt durch den Stockholmer Abend.
    Er schaute sich die Brieftasche an. Es lagen 110 Kronen in Scheinen und zwei Ein-Öre-Münzen darin. Der beste Fang seit Langem, damit würde er eine ganze Weile zurechtkommen. Eigentlich hatte er schon, bevor er die Brieftasche geöffnet hatte, gewusst, dass es für ein Festmahl reichen würde. Jetzt wusste er: Es reichte für viele Festmahle.
    Das Taxi hielt am Berzelii-Park. Der Fahrgast stieg aus, bezahlte, gab dabei großzügig Trinkgeld.
    »Berns Salons« lagen vor ihm. Das wuchtige Steingebäude ragte in die Dunkelheit empor, die sich über die Stadt gesenkt hatte.
    Er ging zum Eingangstor. Mit seinem ordentlichen Anzug und dem Hut mit der breiten Krempe wurde er problemlos eingelassen. Er trug den grauen Anzug, den er in dem gestohlenen Wagen gefunden hatte, dem Wagen, mit dem er Ingrid zur Werft gefahren hatte. Und dazu die dicke Brieftasche, die noch vor zehn Minuten nicht in seinem Besitz gewesen war.
    Den Türsteher grüßte er mit »Guten Abend« und ging durch das Tor. Ließ Hut und Mantel an der Garderobe zurück.
    Das »Berns«. Er war noch nie hier gewesen. Das waren die Salons der Reichen, das war sofort zu spüren. Die Decken waren hoch wie in einer Kirche. Dazu die riesigen Kronleuchter. Die verzierten Holzwände. Mit rotem Samt bezogene Sessel an den Tischen.
    Er ließ sich an einem Tisch bei der Wendeltreppe nieder, die zu der Empore hinaufführte. Vereinzelte Grüppchen saßen dort. Männer in Frack, Damen in Ballkleidern, vielleicht waren sie bei einer der Vorstellungen in der Oper oder im Theater gewesen. Nicht in Albert Ranfts Svenska-Theater auf Blasieholmen, das war vor drei Jahren ausgebrannt. Er hatte seine Stadt kennengelernt, kannte ihre Geschichte. Obwohl sie noch vor gar nicht allzu langer Zeit nicht seine Stadt gewesen war.

Weitere Kostenlose Bücher