Der Mann im Park: Roman (German Edition)
vorgestreckte Hand, sie erschien so klein in seiner.
Es war nicht schwer, sich mit ihr zu unterhalten. Meistens redete sie, auch wenn der Schwips dazu führte, dass auch bei ihm der Redefluss ungebremst lief. Ganz anders als üblich. Er rauchte viel, zündete eine Zigarette an der anderen an. Kettenrauchen, das war zur Gewohnheit geworden, seit er das Mädchen erschlagen hatte. Die Unruhe, die stärker geworden war, die sich nicht verscheuchen ließ.
Er konstruierte eine eigene Geschichte zusammen. Log ihr etwas vor, das fiel ihm nicht schwer. Er war sich sicher, dass es sowieso keine Rolle spielte, war überzeugt davon, dass sie sich nie wiedersehen würden. Auch der Name, den er genannt hatte, war falsch.
Sie erzählte ihm, dass sie aus Östermalm stammte. Dass sie immer noch in der Prunkwohnung ihrer Eltern am Karlaplan wohnte. Sie hatte sich noch nicht entschieden, was sie aus ihrem Leben machen wollte. Ihrem Vater gehörten einige Parfümerien und eine Seifenfabrik, und sie ging davon aus, dass sie irgendwann in dem Familienunternehmen einen Platz finden würde. Natürlich nur bis zu ihrer Hochzeit, dann würde sie sich um Mann und Kinder kümmern. Wobei sie nicht so genau wusste, ob sie das überhaupt wollte, denn eigentlich träumte sie vom Theater, hegte diese Sehnsucht seit ihrer Kindheit, hatte bereits in der Schule auf der Bühne gestanden. Und hatte privaten Schauspielunterricht bekommen. Ihr Vater hatte das bezahlt, obwohl er überzeugt davon gewesen war, dass ihr Traum nicht lange andauern würde.
Manche Menschen haben die freie Wahl, dachte er. Können von Papas Geld leben, solange sie noch nicht wissen, was sie wollen.
Aber er empfand keine Verachtung ihr gegenüber, sie hatte etwas an sich, dass man sie einfach gern haben musste. Sie war unbeschadet, ein wenig so wie Ingrid.
Und nicht er hatte sie angesprochen, sie war es, die ihn angesprochen hatte. Vielleicht hatte er ja doch etwas an sich. Heute Abend wollte er die Nähe spüren, das berühren, was für ihn in so weiter Ferne lag. Das er nie würde erreichen können, nicht mit all dem Ballast, den er mit sich herumschleppte. Er war ein Mörder, wie sollte er ihr jemals erzählen können, woher er stammte? Wer er wirklich war? Was er getan hatte? Wie sollte es ihm jemals gelingen, sie dazu zu bringen, ihn zu akzeptieren, wenn sie ihn wirklich kennenlernen würde?
Sein Bierglas war leer. Er bestellte noch eines, ein Pils für sich, ein Glas Rotwein für sie.
Aus irgendeinem Grund kamen sie auf die Parlamentswahl zu sprechen. Er sagte, er habe für die Rechten, für Lindman, gestimmt, nahm an, das wäre die richtige Antwort an diesem Ort. Er wollte nicht die Wahrheit sagen, nämlich, dass er gar nicht gewählt hatte.
Im Saal nebenan begann das Orchester zu spielen.
»Wollen wir tanzen?«, fragte sie.
Er lächelte sie an.
»Gern«, sagte er, »nur einen Moment. Ich bin gleich zurück.«
Er stand auf. Berührte leicht ihre Schulter.
Er ließ sie am Bartresen zurück, ging zur Garderobe. Dort holte er Hut und Mantel.
Seine Gedanken schweiften erneut ab. Aus irgendeinem Grund musste er an Stierna denken. Stierna hätte sie nie hier allein sitzen lassen, aber Stierna trug auch nicht seine Fesseln. Hatte nie das durchmachen müssen, was er durchgemacht hatte, war nie so wie er vom Leben geprägt worden.
Er öffnete die Tür und trat hinaus. Der Türsteher nickte ihm zu.
»Auf Wiedersehen, gnädiger Herr.«
»Auf Wiedersehen.«
Als er den Berzelii-Park erreichte, spürte er deutlich den Rausch. Die Laternen beleuchteten die breiten Kieswege. Die großen Bäume waren in der Nacht dunkel. Jetzt, nachdem der Sommer vorüber war, lagen die Grasflächen kahl da. Weiter in der Ferne zeichnete sich das Denkmal von Jöns Jacob Berzelius ab, es war imposant und wirkte unförmig vor dem Nachthimmel.
Als er sich nach rechts wandte, sah er die großen Gebäude am Strandvägen. Ein paar Holzhütten verdeckten das Tor des Hauses, vor dem der Wagen gestanden hatte. Der Wagen, den er vor anderthalb Monaten gestohlen hatte, als noch der Sommer in der Luft lag.
Er entdeckte eine Telefonzelle etwa dreißig Meter vom Eingang des »Berns« entfernt. Er ging hin und öffnete die beiden Schwingtüren.
Die Telefonbücher lagen auf dem kleinen Brett unter dem Telefonapparat. Sie stammten aus dem letzten Jahr, 1927. Der Teil für das mittlere und südliche Uppland, Södertörn und Gotland lag obenauf. Er schob sie zur Seite, holte den Stockholmteil hervor, den
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