Der Mann im Park: Roman (German Edition)
Klinke heruntergedrückt hatte.
»Sagt Ihnen der Name Karlsson etwas? Im Zusammenhang mit Enberg?«
»Nein, den Namen Karlsson kann ich nicht mit ihm in Verbindung bringen. Aber es gibt ja so viele, die so heißen. Und es gibt vieles, was ich nicht von Enberg weiß. Wir hatten den Kontakt schon vor langer Zeit verloren. Lange vor der Beerdigung.«
»Sie könnten also keinen Grund nennen, warum er den Namen Karlsson benutzt haben könnte?«
»Nein. Warum sollte er?«
Um seine Identität nicht preiszugeben, dachte Stierna. Aber er antwortete nicht auf Hammars Frage.
»Wissen Sie, ob er gern gelaufen ist?«, fragte er stattdessen. »Und ob er gut laufen konnte?«
Ivar Hammars Antwort kam prompt.
»Ja, das konnte er gut, richtig gut. Er war der Beste in der Schule. Hier in Lerborn, aber auch noch, als wir auf die Werkrealschule in Ludvika gingen. Er war eindeutig der Beste in der Schule. Er ist viel gelaufen … jeden Tag hat er trainiert.«
»Wann hat er damit angefangen?«
»Als er klein war. Soweit ich mich erinnere, ist er immer schon gern gelaufen.«
»War er schnell oder eher ausdauernd?«
»Eher ausdauernd, würde ich sagen. Aber schnell war er auch, auf kurzen Strecken.«
Stierna schrieb in seinen Notizblock.
»Wie sah das aus, wenn er gelaufen ist?«
»Entschuldigung, jetzt habe ich den Kommissar nicht verstanden.«
»Wie sah es aus, wenn er gelaufen ist«, wiederholte Stierna. »Ich denke dabei an seine Technik und die Körperhaltung.«
»Das weiß ich nicht mehr. Das ist ja auch schon lange her.«
»Sie können sich nicht mehr erinnern, ob er mit hochgezogenen Knien lief?«
»Nein, tut mir leid.«
Stierna legte die rechte Hand auf die Zeichnungen auf dem Küchentisch.
»Erkennen Sie die Zeichnungen wieder? Abgesehen davon, dass Sie meinen, sie sehen Enberg ähnlich, haben Sie sie schon einmal gesehen, bevor ich sie Ihnen heute gezeigt habe?«
»Ich sehe sie heute zum ersten Mal.«
»Sie haben sie nicht vorher schon mal in einer Zeitung gesehen?«
»Nein … Warum sollten die denn in der Zeitung sein? Warum fragen Sie überhaupt nach ihm?«
Fünf Minuten später standen sie wieder draußen auf dem Hof. Ivar Hammar hatte eine Zigarette angezündet und blickte Richtung Wald.
Stierna hatte ihm erklärt, warum sie hier waren. Er hatte von Ingrid Bengtsson berichtet. Warum er die Zeichnungen dabeihatte.
Hammar wirkte nicht verwundert, als der Kommissar ihm all das erzählte.
»Sie haben vorhin gesagt, Sie könnten sich vorstellen, dass er sich das Leben genommen hat«, sagte Stierna. »Warum?«
»Das ist schwer zu erklären. Weil er das Leben nicht schätzte. Weil er nicht in der Lage war, etwas Schönes darin zu sehen. Weil er nicht die Fähigkeit hatte, es wirklich zu leben. Er hat mir Angst gemacht, ja, er hat mir richtig Angst gemacht.«
»Inwiefern hat er Ihnen Angst gemacht?«
Ivar Hammar trat seine Zigarette aus.
»Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll … Das hat vor langer Zeit angefangen. Schon in der Volksschule oder sogar noch früher.«
Stierna sagte nichts.
»Er ist mal mein bester Freund gewesen«, fuhr Hammar fort, »eine Zeit lang.«
»Warum nur eine Zeit lang?«
Ivar Hammar ging ein paar Schritte auf das Haus zu, Stierna folgte ihm.
»Ich weiß nicht, ob Sie das Gebäude der Volksschule von Lerborn gesehen haben«, sagte Hammar, »aber die Enge an solchen Orten kann oft zu Eingeschränktheit führen.«
Ivar Hammar schaute den Beamten forschend an.
»Sind Sie in Stockholm geboren? Und dort aufgewachsen?«
»Ja.«
»Sie kommen aus der Großstadt, wo so viele junge Leute hinwollen. Sie sind nicht an einem Ort wie Lerborn aufgewachsen. Hier kennt jeder jeden. Hier wissen alle sofort Bescheid, wenn jemand nicht reinpasst. Hier hilft man sofort, geht dem anderen zur Hand. Und hier lässt man den anderen genauso gern fallen, mit derselben Hand.«
»So kann es in Stockholm auch gehen.«
»Kann sein. Ich bin noch nie in Stockholm gewesen. Aber ich war schon an vielen anderen Orten. Ich kenne Leute, die in der Stadt wohnen. Hier wohnen vielleicht hundert Menschen, wenn überhaupt. Hier haben wir einander im Blick. Haben Sie die Häuser an der Hauptstraße gesehen? Zehn Hütten, alle sehen gleich aus.«
Hammar nahm eine neue Zigarette, bevor er fortfuhr.
»Lerborn. Für mich fing das in der ersten Klasse an. Ich höre schlecht, auf dem linken Ohr fast gar nichts. Aber das habe ich nicht gewusst. Ich bin so geboren und habe gedacht, dass es so sein muss.
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