Der Mann im Park: Roman (German Edition)
standen zwei Betten. Unter einem Fenster befand sich etwas, das aussah wie eine Spielecke. Ein kleiner Puppenschrank. Auf einem Tisch ein Kugelspiel aus Holz und ein Kartenspiel, »Schwedens Städte«. Ein Puppenwagen mit zwei Teddybären. Ein paar Bücher lagen auf dem Boden. Neben dem Puppenschrank stand ein kleiner Holztisch, darauf ein Malblock und Stifte. Eine halb fertige Zeichnung war zu sehen. Sie stellte ein großes Schiff auf dem offenen Meer dar. Ein einsamer Mann stand an Deck. Unter der Wasseroberfläche waren mehrere große Fische zu erkennen. Stierna fragte sich, ob der Mann an Deck vielleicht Ingrid Bengtssons Vater darstellen sollte.
Maria Bengtsson schaute aus dem Fenster. Ihr Blick verriet keine Regung.
Stierna stellte sich vorsichtig neben sie.
»Was arbeiten Sie, Fräulein Bengtsson? Sie müssen Ihrem Chef sagen, dass Sie für eine Weile nicht kommen werden. Wenn Sie möchten, kann ich das übernehmen.«
Maria Bengtsson drehte sich um, schaute ihn an.
»Ich arbeite in einem Café in der Mäster Samuelsgatan. Dem 67. Das liegt in der Mäster Samuelsgatan 67. Deshalb heißt es ›die 67‹.«
»Welche Telefonnummer?«
»Sie brauchen nicht anzurufen. Das regelt sich schon.«
»Und ihre Schule … In welche Schule ging sie? Die müssen ja wissen, dass …«
»Die Gustav-Vasa-Volksschule. Ich werde dort Bescheid sagen, Sie müssen nicht anrufen.«
»Sind Sie sicher, dass Sie das schaffen?«
Maria Bengtsson gab keine Antwort.
Der Arzt kam ins Zimmer.
»Fräulein Bengtsson«, begann er.
Die Frau am Fenster drehte sich um.
»Ich habe etwas dabei, das wird Sie beruhigen«, fuhr der Arzt fort. »Mir ist klar, was für ein schrecklicher Schock das für Sie ist …«
Maria Bengtsson hob abwehrend eine Hand.
»Keine Tabletten«, sagte sie. »Ich will keine Tabletten.«
Der Arzt zuckte mit den Schultern und ging zurück ins Wohnzimmer. Stierna blieb neben Maria Bengtsson stehen.
»Die Djurgårdswerft«, sagte er nach einer Weile. »Dort haben wir sie gefunden. Kennen Sie die?«
Maria Bengtsson schaute ihn verwundert an.
»Die Djurgårdswerft? Da bin ich noch nie gewesen. Was hatte sie auf Djurgården zu suchen?«
Stierna antwortete nicht.
»Wie?«, fragte Maria Bengtsson plötzlich. »Wie ist sie gestorben?«
Stierna hatte diese Frage erwartet. Dennoch fiel es ihm schwer, die richtige Formulierung zu finden.
»Es sieht so aus, als wäre Ihre Tochter jemandem zum Opfer gefallen, der … jemandem, der ihr Böses wollte.«
»Böses? Wer sollte Ingrid etwas Böses wollen?«
Stierna wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
»Jemand hat Ihre Tochter getötet«, sagte er schließlich.
In dem Moment, als Stierna ihr das sagte, brachen bei Maria Bengtsson alle Dämme. Plötzlich begann sie zu zittern, dann kamen die Tränen. Stierna ging zu ihr, legte ihr die rechte Hand auf die Schulter. Sie drehte sich zu ihm um. Er spürte, wie sie am ganzen Körper zitterte, Tränen liefen ihr über die Wangen. Er überlegte, ob er sie in den Arm nehmen sollte, doch das musste er nicht entscheiden. Maria Bengtsson drückte ihr Gesicht an seine Brust. Vorsichtig legte er die Arme um sie.
Hinterher konnte er nicht sagen, wie lange sie so dagestanden hatten, doch es schien ihm sehr lange gewesen zu sein.
Als Stierna wieder auf die Straße trat, hatte er weiche Knie. Das nächste Mal wollte er jemand anderen schicken.
*
An diesem Tag blieb er bis spätabends im Büro.
Er sollte den Mord an dem Mädchen aufklären. Das und nichts anderes. Für eine Weile seinen Posten als Leiter der Ermittlungsbehörde aufgeben. So lautete Berners Anweisung.
Die Überwachung rund um die Werft war an Ort und Stelle, die Männer sollten dortbleiben, bis die Untersuchungen beendet waren. Tag und Nacht waren sie vor Ort, damit niemand hineinkam, den sie nicht dort haben wollten. Neugierige, die Spuren verwischen könnten. Vielleicht der Mörder, der etwas verschwinden lassen wollte, was er zurückgelassen hatte.
Die Zeugenbefragung in Djurgårdsstaden lief. Die Hälfte wurde von Streifenpolizisten vom siebten Revier durchgeführt. Außerdem waren Leute aus der Zentralabteilung und vom Kriminaldezernat dabei. Die Bereitschaft war groß gewesen, als gefragt worden war.
Haben Sie letzte Nacht oder am Abend zuvor etwas Verdächtiges unten auf dem Werftgelände gesehen? Haben Sie ein kleines blondes Mädchen in der Gegend gesehen? War jemand bei ihr?
Ergebnisse hatten sie noch keine, was ihn verwunderte.
Stierna
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