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Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
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erschrecken.
    »Fräulein Bengtsson …«
    Sie drehte sich um.
    »Ja?«
    »Wir … Ingrids Kleidung ist untersucht worden. Und da haben sie das hier gefunden.«
    Stierna hielt ihr die Holzkiste mit der Lederbörse hin.
    »Das ist Ingrids«, sagte Maria Bengtsson.
    »Sind Sie sich sicher?«
    Sie nickte. Stierna öffnete die Börse.
    »Eine Krone und fünfzig Öre sind drin …«
    »Ingrid hat immer gespart. Sie mochte Glanzbilder so gern und hat gespart, um sich welche zu kaufen. Sie hatte eine ganze Sammlung, und …«
    Maria Bengtsson schloss die Augen. Tränen liefen ihr die Wangen hinunter.
    »Es tut mir leid«, sagte Stierna leise. »Aber wir müssen das tun.«
    Maria Bengtsson öffnete abrupt ihre Augen und sah ihn geradewegs an.
    »Wo ist ihre Kette?«
    »Ihre Kette? Was für eine Kette?«
    »Ingrids Kette.«
    Stierna trat näher zu ihr.
    »Trug Ingrid an dem Tag, an dem sie verschwunden ist, eine Kette?«
    »Ja, natürlich. Sie hatte sie immer um. Das war … das war ein Anhänger mit einem Schweinchen.«
    »Einem Schweinchen?«
    »Ja. Ferkel heißt es. Mein Bruder lebt in London. Er ist Hafenarbeiter. Im Sommer war er hier bei der Familie zu Besuch. Es gibt so ein Buch … ein Buch, das es nicht in Schweden gibt, über einen Bären. Pu der Bär. Der hat einen Freund, ein Schweinchen mit Armen und Beinen, das läuft wie ein Mensch. Ferkel. Ingrid bekam das Buch von Johan, ja, also von meinem Bruder, und sie war total begeistert. Obwohl es auf Englisch war, und ich kann ja nun kein Englisch. Ingrid liebte dieses Schweinchen. Darum habe ich ihr einen Kettenanhänger anfertigen lassen. Von dem Schweinchen. Aus Gold. Das war ziemlich teuer.«
    »Und Sie sind sich sicher, dass Ingrid die Kette auch an dem Tag trug, an dem sie verschwunden ist?«
    »Ja. Sie hat sie immer um.«
    Aber jetzt ist sie weg, dachte Stierna.
    Sie stand am Fenster und schaute dem Kommissar nach, als er in den schwarzen Polizeiwagen stieg, in dem er sie nach Hause gebracht hatte. Sie sah, wie er seine Jacke abklopfte und den Schlips zurechtrückte. Eine alberne, dumme Angewohnheit, wie andere sicher denken würden, denn weder war die Jacke schmutzig noch saß die Krawatte schief. Seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte, war ihr das schon mehrmals aufgefallen. Doch Maria Bengtsson gefiel es, obwohl sie nicht wusste, warum.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie das Gefühl, dass ihr ein Partner fehlte. Jemand, der zu ihr gehörte, jemand, mit dem sie den Alltag teilen konnte. Der sie verstand, jemand, mit dem sie Freud und Leid teilen konnte. Seit Ingrids Geburt war sie fast immer allein gewesen.
    Sie schüttelte diese Gedanken ab. Musste über solche dummen Ideen fast schmunzeln. Sie und der grundsolide Kommissar. Was sollte er mit ihr? Und außerdem hatte sie doch den Ring an seiner linken Hand gesehen. Wahrscheinlich verheiratet, zumindest aber verlobt. Vielleicht stimmte es doch, was mehrere ihrer Freundinnen so gern behaupteten: Die Besten sind immer schon vergeben.
    Er hatte sie bis in die Wohnung begleitet. Sie hatte ihm Kaffee gekocht und ihm das Buch und die Quittung vom Goldschmied gezeigt. Ein ansehnlicher Teil ihrer Ersparnisse war für dieses Geschenk für Ingrid draufgegangen.
    Er hatte sie gebeten, noch einmal gründlich Ingrids Sachen durchzusehen. Ihre Zeichnungen, ihre Glanzbildersammlung, die Taschen in ihren Kleidern. Dabei sollte sie darauf achten, ob etwas nicht stimmte, etwas nicht ihr gehörte. Sie hatte »Ja, selbstverständlich« geantwortet, ohne eigentlich zu verstehen, worauf er hinauswollte.
    Er hatte sie gebeten, ihm das Buch zu zeigen. Sie hatte es durchgeblättert und dann ungefähr in der Mitte aufgeschlagen, bei einer Zeichnung, die als Grundlage für den Schmuck ihrer Tochter gedient hatte. Maria Bengtsson dachte daran, wie der Kommissar sich mit sicherer Hand Notizen gemacht hatte, als sie es detailliert beschrieb. Dann hatte er das Buch selbst durchgeblättert.
    »Das ist ja auf Englisch. Und Sie haben gesagt, Sie könnten so gut wie kein Englisch.«
    »Ja.«
    »Wenn Sie das Buch Ingrid vorgelesen haben, haben Sie sich da etwas ausgedacht oder …«
    Sie hatte eine Weile geschwiegen, bevor sie antworten konnte:
    »Ich hab Ingrid nicht vorgelesen. Sie hat mir die Geschichten erzählt. Sie hatte eine so unglaubliche Fantasie. Ich kenne niemanden, der … der sich so viel ausdenken kann. Bevor wir schlafen gingen, hat sie mir meistens etwas vorgelesen oder mir Märchen erzählt. Natürlich habe ich ihr

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