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Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
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auch manchmal Geschichten erzählt, aber meistens war sie diejenige. Sie konnte kein Englisch, aber sie hat sich die Bilder in dem Buch angesehen und danach Geschichten erfunden. Fantastische Märchen. Und fast jedes Mal was Neues, obwohl es doch immer dieselben Bilder waren. Ich weiß gar nicht, woher sie all die Fantasie hat. Ich bin nie so gewesen, und auch sonst keiner in der Familie, soviel ich weiß. Aber Ingrid …«
    Sie hatte mit dem Löffel in ihrem Kaffee gerührt, langsam, immer im Kreis.
    »Darf ich mir das Buch ausleihen, Fräulein Bengtsson?«
    Natürlich durfte er das.
    Er hatte ihr seine Visitenkarte gegeben. Seine private Telefonnummer draufgeschrieben. Kungsholmen 301.
    Als Stierna durch das Tor der Upplandsgatan 13 hinausging, zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen, holte er seinen Notizblock hervor. Die Notizen mit der ordentlichen, aber etwas verschnörkelten Handschrift waren ziemlich kurz gefasst:
    »Ingrid Bengtssons Kettenanhänger, hergestellt und gekauft bei Axelssons Goldschmiede, Norrtullsgatan 45, im Juli 1928. Beschreibung: Der Anhänger ist ungefähr anderthalb Zentimeter groß, aus Gold, stellt das Ferkel dar. Es geht auf zwei Beinen, großer Kopf, Arme und Beine klein. Der Anhänger hängt an einer dünnen Kette, auch sie aus Gold. Auf der Rückseite die Initialen des Mädchens, Ingrid Bengtsson, eingraviert.«
    Wenn es stimmte, was Maria Bengtsson gesagt hatte, und Ingrid stets ihre Kette trug, dann gab es nur zwei mögliche Gründe für ihr Verschwinden: Die Achtjährige hatte sie an dem Abend oder in der Nacht ihres letzten Lebenstags aus irgendeinem Grund verloren, vielleicht weil ihr Mörder so brutal mit ihr umgegangen war. Oder der Mörder selbst hatte sie an sich genommen.
    Hinten in Stiernas Notizblock lag die Quittung. Der Anhänger hatte 120 Kronen gekostet.
    Ziemlich teuer, dachte Stierna.

14
    Aus seinem Abteilfenster sah Roland Lindberg, wie der Zug langsam aus dem Hauptbahnhof von Göteborg rollte. Es waren fast genau vierundzwanzig Stunden vergangen, seit er Stockholm verlassen hatte. Es war Mittwoch, der fünfte September.
    Schon als die Kollegen von der Westküste ihn am Tag zuvor am Bahnhof abholten, war ihm klar, dass er Thomas Franzén von der Liste streichen konnte. Das hatte er eigentlich von Anfang an gedacht; warum sollte ein Mann, der seine Tochter nie gesehen und nie Unterhalt für sie gezahlt hatte, plötzlich auf die Idee kommen, sie zu ermorden und sich womöglich noch an ihr zu vergreifen? Außer, er war schwer gestört.
    Die Göteborger Kollegen hatten bereits untersucht, ob es irgendwelche Hinweise darauf gab, dass Franzén gewalttätig werden konnte. Aber sie hatten in ihren Unterlagen nichts gefunden. Franzén war nicht vorbestraft. Außerdem hatte er ein Alibi. An dem Abend des zweiten September hatte er seine Schicht in Åkessons Bröd Aktiebolag gearbeitet, als Bäcker. Er hatte den Betrieb erst um fünf Uhr morgens verlassen. Irgendwann während seiner Schicht war Ingrid Bengtsson erschlagen worden, viele Stunden Zugfahrt entfernt.
    Und Lindberg war eigentlich auch nicht hier, weil er glaubte, Thomas Franzén hätte damit etwas zu tun. Denn es ging ja um den Mann im Vasapark. Stierna hatte intuitiv gespürt, dass genau der von Interesse war. Der Mann, von dem Maria Bengtsson erzählt hatte. Der Ingrid Geld gegeben hatte, damit sie sich Glanzbilder kaufen konnte. Der Mann, der behauptet hatte, er kenne ihren Vater.
    Die Göteborger Kollegen hatten Lindberg direkt zu Thomas Franzéns Wohnung gefahren. Er wohnte nur fünf Minuten Fußweg von der Polizeizentrale entfernt, in einer Zweizimmerwohnung, zusammen mit Frau und zwei Kindern, beides Jungen, drei und fünf Jahre alt.
    Das war ein merkwürdiges Gespräch gewesen. Sie hatten fast zwei Stunden miteinander geredet, Franzén und er. Und dennoch waren die Notizen über diese Vernehmung nur kurz.
    Franzén hatte ihn in Nachthemd und Morgenrock empfangen, obwohl es schon gegen Nachmittag ging. Er hatte tags zuvor die Todesnachricht erhalten, war danach nicht in der Lage gewesen, zur Arbeit zu gehen.
    Die Göteborger Kollegen hatten berichtet, Franzén habe wenige Minuten nachdem sie ihm die Nachricht überbracht hatten, einen Zusammenbruch erlitten. Obwohl er das Mädchen gar nicht gekannt hatte.
    Das ist schon merkwürdig, dachte Lindberg. Zuerst will man seine eigene Tochter fast neun Jahre lang nicht sehen. Und wenn sie dann stirbt, bricht eine Welt zusammen. Vielleicht war es das Endgültige

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