Der Mann im Park: Roman (German Edition)
am Tod, was ihn so hart traf. Dass er niemals, nicht einmal im Herbst seines Lebens, die Möglichkeit haben würde, seine Tochter kennenzulernen. Vielleicht war das der Grund für seinen Zusammenbruch. Vielleicht lag es auch an der Art ihres Todes. Vielleicht beides.
Franzén hatte seiner Frau nie etwas von Ingrid erzählt, erst jetzt. Auch das berichtete er Lindberg, als sie in der kleinen Wohnung saßen. Die Frau war nicht zu Hause, die Kinder auch nicht. Vielleicht hatte sein Geheimnis wie eine Bombe eingeschlagen, nach all den Jahren des Schweigens. Vielleicht stand nun die Ehe auf der Kippe.
Darüber hatte Franzén in der ersten halben Stunde gesprochen. Lindberg hatte ihm geduldig zugehört, ihn reden lassen. Dann hatten sie über Franzéns Leben in Göteborg in den letzten neun Jahren gesprochen. Das war überraschend schnell abgehandelt gewesen.
Franzén gab ohne Umschweife zu, dass er Stockholm Ende März 1919 verlassen hatte, kurz nachdem er erfahren hatte, dass Maria Bengtsson ein Kind von ihm erwartete. Fast mit Abscheu vor seiner eigenen Handlungsweise räumte er ein, dass er aus diesem Grund nach Göteborg gezogen war. Nicht, weil er sich zurück in seine Heimatstadt sehnte, in der er im Juli 1898 geboren worden war.
Bald nach seiner Rückkehr hatte Franzén die Arbeit bei der Åkessons Bröd AB in der Kungsportsavenyn aufgenommen, und dort arbeitete er immer noch.
Seine Frau hatte er im Sommer 1921 kennengelernt. Sie hatten ein Jahr später geheiratet, und mit ihr hatte er die Söhne Albert, geboren 1923, und Isak, geboren 1925.
Thomas Franzén lebte ein normales Arbeiterleben. Am Wochenende ging er gern mit seiner Familie zum Fußball. Samstagabends gab es ein paar Schnäpse, aber er wurde nie ausfallend. Sein Lohn reichte gerade, um Frau und zwei Kinder zu ernähren, kaum zu mehr.
Nicht gerade eine aufregende Biografie, dachte Lindberg.
Jetzt saß er im Zug auf dem Weg von Göteborg nach Stockholm. Viele Stunden Bahnfahrt lagen noch vor ihm.
Lindberg war müde, er hatte in einem einfachen Hotel in der Innenstadt von Göteborg übernachtet, und es war ihm sehr schwergefallen, in dem viel zu weichen Bett einzuschlafen.
Er fragte sich, wie wichtig diese Reise eigentlich gewesen war. Was hatte er ausrichten können, was nicht seine Göteborger Kollegen bereits erledigt hatten? Wahrscheinlich gar nichts.
Lindberg hatte die Vernehmung von Thomas Franzén mit einer Frage nach dem Mann im Vasapark abgeschlossen. Oder eigentlich nicht direkt nach ihm, sondern danach, wem er von seiner Tochter erzählt habe.
Zuerst war Franzén überrascht gewesen. Als Lindberg seine Frage wiederholte, saß der Bäcker schweigend da, lange, bis er antwortete: »Drei Leuten.«
Die Antwort verwunderte Lindberg.
»Nur dreien?«
»Ja, nur dreien. Den Freunden, denen ich wirklich vertraut habe.«
Gut vierundzwanzig Stunden später schaute Roland Lindberg auf die kurze Liste. Zwei wohnten in Göteborg, einer in Stockholm.
Er selbst würde den Mann in Stockholm überprüfen. Ein gewisser Åke Erlandsson, der Franzéns Nachbar im Karlbergsvägen in Stockholm gewesen war, zu dem er aber schon seit langer Zeit keinen Kontakt mehr hatte.
Um die anderen beiden sollten sich die Kollegen kümmern. Ein gewisser Göran Bengtsson und ein Karl-Peter Svensson. Beides Freunde aus der Kindheit.
Abgesehen von den dreien hatte Thomas Franzén mit niemandem über Ingrid gesprochen. Nicht mit seinen Eltern. Nicht mit seiner Frau. Nicht mit seinen Geschwistern.
Lindberg lehnte sich auf dem Sitz zurück. Er war allein im Abteil und überlegte, ob er die Zeitung lesen oder lieber versuchen sollte, ein wenig zu schlafen. Er entschied sich für die Zeitung.
Das Foto von Ingrid Bengtsson war auf der Titelseite vom Aftonbladet . Darunter ein paar kurze Zeilen. Die Zeitung hatte eine Belohnung von 500 Kronen ausgeschrieben für denjenigen, der »Hinweise geben kann, aufgrund derer der Mörder gefasst wird«. Außerdem waren Meldungen von mehreren Privatpersonen in der Redaktion eingegangen, die helfen wollten, Reiche und Arme. Die Belohnung konnte also insgesamt richtig hoch werden. Mehrere Tausend Kronen.
Lindberg las:
Absicht der Spender ist es sicher, denjenigen zu belohnen, der der Polizei die entscheidenden Hinweise gibt, die den Frevler für alle Zeiten hinter Schloss und Riegel bringen.
Auf der nächsten Seite wurde der Artikel fortgesetzt. Die Beschreibung des Mädchens. Ein nichtssagendes Stück
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