Der Mann im Park: Roman (German Edition)
für sie geschämt. Hatte Angst gehabt, seine Kameraden würden herausbekommen, wie es um sie stand. Dass jemand sie beim Schlachter oder in der Straßenbahn betrunken antreffen könnte. Nie war er sicher, ob er Freunde mit nach Hause nehmen konnte, nie wusste er, in welchem Zustand sie sein würde. Er hatte sich geschworen, dass er nie wie sie werden wollte. Doch er hatte es in sich, ob er es nun wollte oder nicht.
In der Zeit, als er noch Streife auf Södermalm ging, hatte er sie gespürt, diese Gier nach Schnaps. Als sie noch jünger gewesen waren, frisch von der Polizeischule. Als er, Stierna und die anderen jungen Wachtmeister vom achten Revier in der Folkungagatan in der Eckkneipe in Söder gesessen hatten, an deren Namen er sich nicht mehr erinnerte. »Söders Pärla«? Dort hatte sich das Personal nie darum gekümmert, wie betrunken jemand war, solange er die Zeche bezahlen und aus eigener Kraft nach Hause gehen konnte.
Stierna hatte auch nicht gerade ins Glas gespuckt, aber er war nicht wie er, das hatte Lindberg sehr schnell begriffen. Und er hatte nie mit Stierna über seine Mutter gesprochen. Denn Stierna hatte sich immer im Griff, irgendwie hatte er immer alles unter Kontrolle.
21
Drei Familien mit Kindern, die am zweiten September um zehn Uhr abends schon tief und fest geschlafen und nichts von Interesse gesehen hatten. Eine Achtzigjährige, die sich freute, die Polizei zu sehen, zu einem dünnen Kaffee einlud, aber nur erzählen konnte, dass einige der Nachbarn nachts oft ziemlich laut waren. Ein pensionierter, leicht beschwipster Leutnant, der erstaunlich ehrlich war und erklärte, sein Tag läge sowieso wie im Nebel. Und dann noch einige Zeugen, die den bewussten Abend schon vergessen hatten, aber er hatte die Zeichnungen dabei, sodass es kein Problem sein sollte, die Erinnerung wieder aufzufrischen.
Axel Jonsson fasste für sich zusammen, was die Befragung in Djurgårdsstaden am Samstag, dem achten September, gebracht hatte: im Großen und Ganzen nichts.
Hultberg und er waren zusammen unterwegs gewesen. Wie üblich, warum auch immer. Vielleicht lag es am Alter, beide waren jung, unter dreißig, und sie hatten ungefähr gleichzeitig in der Abteilung Gewaltverbrechen angefangen. Ansonsten hätte Jonsson nicht sagen können, was sie gemeinsam hatten.
Hultberg war neunundzwanzig, sah aber älter aus, hatte bereits eine Glatze und stets etwas Todernstes im Blick. Jonsson hatte ihn noch nie lachen sehen. Jonsson hatte nichts gegen seinen Kollegen, aber er wäre nie auf die Idee gekommen, in der Freizeit etwas mit ihm zu unternehmen. Und er war sich sicher, dass Hultberg genauso dachte.
Ihr Auftrag war es, die Reste abzuarbeiten, diejenigen aufzusuchen, die das große Aufgebot in den letzten Tagen bei der Befragung in Djurgårdsstaden nicht zu fassen bekommen hatte. Das waren nicht viele.
Langsam beruhigte es sich. Die Wachtmeister vom siebten Revier waren zurückbeordert worden, sie wurden woanders dringender gebraucht. Die meisten aus der Zentralabteilung waren auch wieder fort.
Jonsson war immer gewissenhaft bei seiner Arbeit, er hatte jede Wohnung in den Häusern, die er durchgegangen war, mit dem Namen dessen markiert, der dort wohnte. Es gab nicht viele Lichtblicke.
Insgesamt hatten sie nur eine einzige Person gefunden, die in der Nacht zum dritten September wach gewesen war. Das war ein Advokat, er hieß Göte Hansson und wohnte in der Nordenskiöldsgatan 80. Hansson hatte gegen halb drei Uhr auf seinem Balkon gestanden und ein Licht auf der Werft gesehen, in dem Fenster des Raums, in dem das Mädchen gefunden worden war. Hultberg hatte den Zeugen gefragt, was für eine Art von Licht es gewesen sei. Hansson hatte geantwortet, dass er annehme, es sei etwas Elektrisches, vielleicht aber auch eine Petroleumlampe.
Die Informationen würden kaum helfen, einen Mörder zu fangen, dachte Jonsson resigniert.
Er ging die wacklige Treppe hinunter, die zu den oberen Stockwerken des großen Wohnblocks, Nannylund, führte. Das Haus lag der Werft genau gegenüber.
Die Dame da oben war hilfsbereit gewesen, aber sie hatte nichts gesagt, was sie hätten gebrauchen können. Obwohl sie doch in dem Haus wohnten, das der Werft am nächsten lag, schien niemand etwas gesehen zu haben.
Links von der Treppe auf dem unteren Stockwerk stand eine Tür offen.
Hultberg kam heraus.
»Jonsson«, rief er, »komm rein.«
Axel Jonsson trat durch die offene Tür ein.
Er war überrascht, was für ein Durcheinander in
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