Der Mann im Park: Roman (German Edition)
der Djurgårdswerft erschlagen worden war.
Das war sein einziger freier Tag in dieser Woche, es war schon fast zehn Uhr.
Neben ihm das Bett war leer. Stierna stand auf.
Karolina saß auf dem Sofa im Wohnzimmer und las die Zeitung. Er wunderte sich, dass sie früher als er aufgestanden war.
Sie aßen ein spätes Frühstück im Café »Grå Katten« am Sankt Eriksplan. Das war eine Tradition, fast von Beginn an, mindestens einmal im Monat gingen sie hierher. Seit dem Tag, an dem sie sich richtig kennengelernt hatten. Karolina hatte damals ganz in der Nähe gewohnt, in der Birkagatan.
Für den Nachmittag hatten sie keine besonderen Pläne. Sie gingen in Vasastaden spazieren, unten am Norr Mälarstrand, kauften beim Schlachter in der Hantverkargatan ein und gingen dann nach Hause. Sie hatten keine Bediensteten, was für einen Mann in Stiernas Position ungewöhnlich war.
Ein paar Stunden später nahm er das Buch zur Hand, das er von Maria Bengtsson bekommen hatte. Er saß daheim am Küchentisch und schaute sich vor allem die Bilder an. Stierna konnte ein wenig Englisch, aber am besten gefielen ihm die Illustrationen. Das Titelbild mit dem Bären, der sich über einen langen Papierstreifen beugt, auf den er etwas mit einer Feder schreibt. Unter dem Bild stand der Name des Bären, Pu, in kindlicher Handschrift. Ein Bild zeigte, wie Pu mit einem kleinen Jungen badete, Christopher Robin, der Besitzer des Bären, wie Stierna herausfand. Es gab auch Bilder von einem Kaninchen, das Milch und Honig anbot. Und von einem Esel, der anscheinend immer mit gesenktem Kopf herumlief. Es gab ein Känguru, das sein Kleines in dem Beutel vor dem Bauch trug. Und dann das Bild, auf dem Pu mit dem kleinen Ferkel durch den Schnee geht, mit Ingrid Bengtssons Lieblingsfigur.
Karolina kam in die Küche.
»Was liest du da?«, fragte sie.
»Ein Kinderbuch, Ingrid Bengtssons Lieblingsbuch, ›Pu der Bär‹. Das ist auf Englisch, ich verstehe bei Weitem nicht alles.«
Karolina beugte sich über ihn und schaute in das Buch.
»Das scheint eine schöne Geschichte zu sein. So eine, wie wir sie unseren Kindern später einmal schenken sollten.«
Stierna schaute sie an.
»Ja, mir gefällt sie auch«, sagte er. »Gleichzeitig macht sie mir etwas Angst.«
»Angst?«
»Ja. Auf die gleiche Art und Weise, wie es mir jedes Mal Angst macht, wenn ich die Dinge durchgehen muss, die wir an einem Tatort finden. Du weißt doch noch, der Mord an dieser Prostituierten auf der Tegnérgatan vor fünf Jahren. Wenn ich mal wieder die Pappkartons von diesem Fall hervorhole, all die Visitenkarten ihrer Kunden durchblättere, mir die Rechnungen anschaue, die wir in ihrer Wohnung gefunden haben, bezahlte und unbezahlte, das ist schon ein unheimliches Gefühl. Genauso, wenn ich das Beweismaterial durchgehe von dem Fall, als Direktor Flyborg in die Luft gesprengt wurde. Trotz der vielen Jahre hat sich da nichts verändert. Aber davon weiß niemand, niemand außer dir.«
Er stand auf und nahm sie in den Arm. Karolina küsste ihn.
Wie damals, bei ihrem ersten Kuss, auch da hatte sie die Initiative ergriffen, vor fünf Jahren vor ihrer Haustür. Nicht er.
Als Stierna am nächsten Morgen aufwachte, war Karolina schon fort, sie war aufgestanden und zur Arbeit gegangen, ohne dass er etwas gemerkt hatte. Das war seltsam, normalerweise war er derjenige, der zuerst aufwachte.
Stierna ging ins Bad. Er wusch sich, kämmte und rasierte sich.
Den schwarzen Anzug hatte er schon am Abend zuvor bereitgelegt. Er zog sich schnell an. Auf eine Krawatte verzichtete er.
Bevor er das Haus verließ, las er die Zeitung. Sorgfältig wie immer.
Wie üblich war Stierna pünktlich. Als er durch den großen Versammlungsraum ging, hatte Wallbom bereits mit den ersten Einsatzbesprechungen des Tages begonnen. Alle aus der Abteilung Gewaltverbrechen, die nicht mit anderem beschäftigt waren, an diesem Morgen an die fünfzig Beamte, hörten aufmerksam zu und machten sich Notizen auf ihren Blöcken. Während Oskar Wallbom mit seiner dröhnenden Stimme die neuesten Informationen über Diebstähle und Einbrüche des letzten Wochenendes verkündete. Während die Fotos gesuchter Dinge unter den Beamten verteilt wurden.
Normalerweise war Stierna dafür zuständig, die Aufgaben zu verteilen und hier im Versammlungsraum das Neueste bekannt zu geben. Er musste den Überblick darüber haben, wer in der Abteilung was tat, und die landesweiten Fahndungen aufgrund der neuesten Nummer des
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