Der Mann im Park: Roman (German Edition)
der mit dem schütteren Haar, der Einzige, an dessen Namen sich Anton Bladh noch hatte erinnern können. Per-Otto Sundin.
»Irgendwann am Abend. Wir sind so gegen sieben Uhr gekommen, wie immer, und da saß er schon da. Am Nebentisch. Und dann ist er zu uns an den Tisch gekommen. Wollte sich unterhalten. Er hat bei uns gesessen, bis hier geschlossen wurde. Wir haben uns erst vor der Tür verabschiedet.«
»Wie können Sie so sicher sein, dass es Sonntag war?«
Egon Lindgren schenkte aus einer Flasche Rotwein ein. Er hatte bisher noch nichts gesagt.
»Weil es der Tag war, an dem wir aus Malmö zurückgekommen sind. Wir waren dort, um den Bruder der Schonin zu besuchen. Ja, Esters Bruder, meine ich. Wir waren alle vier bei ihm. Sind mit dem Zug zurückgekommen und dann hierhergegangen. Wir sind vom Bahnhof direkt hierher.«
Lindberg spielte mit der Karte, die auf dem Tisch stand.
»Erinnern Sie sich daran, wie er hieß? Der Mann auf dem Foto?«
Lindgren und Eriksson sagten nichts, schienen nachzudenken. Sundin trank von seinem Wein.
»Anton«, sagte Ester Jansson. »Ich glaube, er hieß Anton.«
Als sie den Mund aufmachte und Lindberg ihre Aussprache hörte, begriff er, warum sie die Schonerin genannt wurde.
»Und er hat hier bei Ihnen gesessen? Die ganze Zeit? Bis zum Feierabend?«
»Ja.«
Lindberg klappte seinen Notizblock zu, öffnete ihn dann aber doch wieder.
»Sie scheinen sich ja sehr genau an ihn zu erinnern«, sagte er dann. »Gibt es dafür einen Grund?«
Sundin schaute ihn kurz an, sagte jedoch nichts.
»Wir mochten ihn nicht. Seine Art. Aber wir sind ihn nicht losgeworden. Und nach genügend Alkohol kommt man ja mit den meisten zurecht.«
»Wieso, was war mit ihm?«
»Er war so überheblich. Hat die ganze Zeit nur darüber geredet, wie toll er ist. Dass er schon um die Welt gefahren ist. Dass er hätte Direktor werden können, wenn er nur die richtigen Eltern gehabt hätte. Das war langweilig. Außerdem haben wir ihm sowieso nicht geglaubt. Ich habe ihm seine Geschichten jedenfalls nicht abgenommen.«
»Und jetzt Sonntag, da habt ihr ihn zum ersten Mal getroffen?«
»Ja«, bestätigte Ester Jansson.
»Da seid ihr euch alle einig?«
Die anderen nickten.
Lindberg machte sich ein paar Stichworte, dann steckte er seinen Notizblock ein und stand auf.
»Was hat er getan?«, fragte Ester Jansson.
»Wahrscheinlich gar nichts«, sagte Lindberg. »Dieses Mal nicht.«
Er verließ die Gruppe. Bestellte sich ein Bier und setzte sich allein an einen Tisch weit hinten im Lokal, im Zwielicht.
Der Oberkellner kam mit den Namen derjenigen, die am Sonntag Dienst gehabt hatten. Außer dem Barkeeper, ihm selbst und dem Küchenpersonal waren noch zwei Kellner da gewesen, die an diesem Abend freihatten.
Lindberg trank einen großen Schluck Pils. Holte seinen Notizblock wieder heraus und schrieb ein paar Stichworte auf.
Das Bier war bald ausgetrunken. Viel zu schnell. Plötzlich kam diese Unruhe wieder über ihn, die er seit mehr als drei Jahren nicht mehr gekannt hatte. Seit er Karin geheiratet hatte.
Sie ist immer noch in mir, dachte er. Und sie wird immer in mir sein.
Er hatte jetzt seit sehr langer Zeit nicht mehr getrunken. War in den letzten Jahren nur selten richtig betrunken gewesen. Eigentlich nur Weihnachten, Silvester und zum Mittsommer. Sonst fast nie. Dennoch spürte er diese Unruhe. Wie er von ihr angezogen wurde, dieser einfachen Lösung, am Abend, in der Nacht. Diese Lösung, die ihn den Schmutz vergessen ließ, die Familientragödien, diesen Schläger. Zumindest für eine Weile.
Er erinnerte sich an den Moment, als er zum ersten Mal wirklich begriff, dass seine Mutter ein Alkoholproblem hatte. Als er sie aus der Flasche trinken sah, die sie schnell in ihrem Kosmetik-Necessaire versteckte, als er eines Tages zu früh aus der Schule heimkam. Es hatte in der Kantine gebrannt, der Rauch war in mehrere Klassenräume gedrungen, und er und die anderen Kinder waren nach Hause geschickt worden. Zur Mittagszeit, er war damals noch keine zehn Jahre alt gewesen.
Sie hatte aus der Flasche getrunken, sie schnell in ihr Necessaire geschoben, als er in die Küche trat. Hatte so getan, als wenn nichts passiert wäre, geglaubt, er hätte nichts gesehen. Doch er hatte es gesehen. Und er hatte es verstanden.
Viel später sah er ein, dass die Alkoholkrankheit irgendwie vererbt wurde. Sein Großvater mütterlicherseits hatte es in sich gehabt. Dessen Vater auch, wie es hieß.
Als Junge hatte er sich
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