Der Mann im Park: Roman (German Edition)
seinen potenziellen Nachfolger an, er hatte selbst gehört, wie der Kriminaldirektor das mehrfach gesagt hatte.
Lindberg hatte die beiden beruhigen können. Schließlich hatten sie das Thema gewechselt, hatten über »Gesindel« gesprochen, Hjalmar Bergmans Stück, das großen Erfolg auf der Bühne hatte. Gösta Ekman spielte die Hauptrolle, Solman wie auch Berner hatten das Stück schon gesehen. Lindberg nicht, er wusste nicht einmal, wovon es handelte. Deshalb wusste er nicht, was er dazu sagen sollte. Aber es gelang ihm, sich mit der Entschuldigung, sein Glas auffüllen zu wollen, aus der Affäre zu ziehen. Diese Ausrede stieß immer auf Verständnis.
Stierna stand mit Karolina beim Orchester. Lindberg ging zu ihnen. Er fragte sich, ob Stierna selbst auch das wollte, was Berner sich wünschte, nämlich eines Tages Leiter der Abteilung für Gewaltverbrechen zu werden. Sie hatten nie darüber gesprochen.
40
Die Sonne schien zum Fenster herein, die Vorhänge waren nicht vorgezogen. Stierna wachte früh von allein auf. Das tat er oft, noch bevor der Wecker klingelte. Das Zifferblatt zeigte kurz vor halb sieben. Karolina lag neben ihm, sie schlief.
Stierna stand auf, stellte den Wecker aus, bevor er klingeln konnte, und verließ das Schlafzimmer. Sie hatten Solmans Geburtstagsfeier relativ früh verlassen, deshalb fühlte Stierna sich ausgeruht.
Er ging in die Küche, um Frühstück zu machen. Schon bald musste Karolina die Straßenbahn nach Södermalm nehmen, wo sie in einem Geschäft arbeitete. Die Inhaberin hieß Greta Olsson, sie stand kurz vor ihrer Pensionierung. Der Laden öffnete um acht Uhr, und Karolina musste pünktlich aufschließen. Sie hatte weiterarbeiten wollen, trotz der Heirat. Zumindest bis Kinder kamen, falls welche kamen.
Stierna fing auch um acht Uhr an, dann begann die Tagesschicht in seiner Abteilung.
Er machte Frühstück für sie, kochte Kaffee und bestrich ein paar Brote. Kochte Eier und holte einen Apfel aus der Vorratskammer. Der war für sie, sie begann den Tag immer mit einem roten Apfel.
Als er wieder ins Schlafzimmer kam, war sie wach.
»Ich habe dich angeschaut, als du noch geschlafen hast«, sagte sie. »Dann siehst du immer so friedlich aus.«
»Tatsächlich?«
Karolina nickte. Er stellte das Tablett auf ihrem Nachttisch ab.
»Bist du müde?«, fragte er.
»Ja. Warum muss man so früh mit der Arbeit anfangen? Ich fände es viel schöner, wenn ich ein paar Stunden später anfangen könnte.«
Stierna setzte sich schmunzelnd auf die Bettkante. Sie war ein richtiger Morgenmuffel.
»Die meisten sind nicht so wie du, Karolina. Die fangen lieber frühmorgens an.«
»Ja, ja, die meisten sind nicht so wie ich. Das ist mir schon klar.«
Sie setzte sich im Bett auf und strich ihrem Mann übers Haar. Er griff zum Tablett und nahm seine Kaffeetasse. Die hatte er von ihr geschenkt bekommen, vor ein paar Jahren zum Geburtstag. Sie hatte sie selbst angemalt. Auf der einen Seite stand sein Name in großen roten Druckbuchstaben, auf der anderen Seite hatte sie einen Wachtmeister gemalt. Darüber leuchtete ein Stern.
Er schwieg.
»Woran denkst du, John?«
Er antwortete nicht, drehte sich nur um und schaute sie an. Nie hatte er etwas Schöneres gesehen. Auch wenn sie an einem frühen Morgen gerade aufgewacht und noch verschlafen war, gab es niemanden, der sich mit ihr hätte messen können. Vielleicht war es gerade in solchen Momenten am deutlichsten.
Sie gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange.
»Du wirst doch nicht zu spät kommen?«, fragte er.
Karolina schaute auf die Wanduhr.
»Nein, bestimmt nicht.«
»Pass auf, sonst wird Frau Olsson noch böse.«
»Böse? Dann rufe ich die Polizei.«
Stierna trat ans Fenster und öffnete es. Karolina aß ihr Frühstück.
»Ist dir nicht zu kalt?«, fragte er.
»Nein.«
»Ich finde es aber kalt. Vielleicht werde ich alt.«
»Alt? Du bist gerade vierunddreißig.«
»Immer noch dreiunddreißig«, korrigierte er sie, »ich werde erst am zwanzigsten Oktober vierunddreißig.«
»Also gut, fast vierunddreißig«, räumte sie ein, »aber das ist kein Alter.«
Karolina ging ins Bad.
Stierna beendete sein Frühstück. Er hatte noch reichlich Zeit. Und sollte er etwas zu spät kommen, würde niemand etwas sagen. Aber er war immer pünktlich, aus welchem Grund auch immer.
Fast vierunddreißig, dachte er. Kein Alter.
Karolina kam zurück. Er saß auf dem Bett und sah zu, wie sie sich fertig machte. Wie sie ihr blondes Haar kämmte,
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