Der Mann im Park: Roman (German Edition)
dachte Stierna. Und das, obwohl viele dankend abgesagt hatten. Denn nach den Wahlen zur zweiten Kammer am letzten Sonntag herrschte eine politische Krise im Land, obwohl Stockholm noch gar nicht abgestimmt hatte. Es gab keinen eindeutigen Sieger, keine klare Regierungsalternative. Der politische Kuhhandel hatte begonnen. Wobei die Frage war, was aus Ministerpräsident Ekmans schwacher, freigeistiger Regierung werden würde. Sie würde wohl kaum überleben.
Der Hass zwischen Links und Rechts war in den letzten Wochen ganz deutlich geworden. Kommunisten, die die schwedische Flagge zerrissen und die Internationale statt der Nationalhymne sangen. Rechte, die die Sozialdemokraten als Landesverräter bezeichneten. In Vallentuna hatten Jungsozialisten den Bevollmächtigten der rechten Partei mit Steinen beworfen, als er nach einer Wahlveranstaltung zu seinem Wagen gehen wollte. Die Rechte war in ihren Attacken auf die Sozialdemokraten immer gehässiger geworden, sie taten alles, um die Furcht vor den Kommunisten zu schüren. »Eure Stimme geht nach Moskau!« – »Rettet das Vaterland!« – »Wer für die Arbeiterpartei stimmt, wählt den Sturz der Gesellschaft und den Einzug der Bolschewisten«, das waren nur drei der aggressiven Wahlparolen vom Jugendverband der Rechten, die Stierna in den letzten Wochen gesehen hatte. Und der Ton auf den Wahlveranstaltungen wurde auch immer schroffer. Das hatte offensichtlich funktioniert. Die Sozialdemokraten hatten deutlich an Stimmen verloren. Arvid Lindman und die Rechten hatten Aufwind. Stierna wusste, der Hass konnte jeden Moment wieder aufflackern. Außerdem war Spaniens König Alfonso in Stockholm zu einem offiziellen Besuch, die Sicherheitsvorkehrungen um seine Person herum waren immens. Berner hatte eine Riesenangst, es könnte etwas passieren; es kursierte das Gerücht, dass spanische Anarchisten ein Attentat planten. Die Polizei hatte also alle Hände voll zu tun.
Doch das alles betraf Stierna nicht. Trotz der Wahl, trotz des spanischen Königsbesuchs hatte der Fall Ingrid Bengtsson immer noch höchste Priorität, auch wenn die Artikel in den Zeitungen kürzer geworden waren.
Jetzt konnte Stierna sehen, dass Wallbom tanzte. Der Kommissar meinte, die Tanzpartnerin zu kennen. Auf jeden Fall war es nicht Wallboms Frau.
Er tanzt schwungvoll, aber ohne Raffinesse, dachte Stierna. Ungefähr so, wie er sich auch bei der Arbeit aufführt. Was manchmal ein Gewinn war, manchmal eine Belastung.
Stierna trank einen großen Schluck Bier. Es war zwar ein Fest, dennoch hatte er mit den Kollegen in erster Linie über die Arbeit gesprochen. Nicht einmal hier ließ sie ihn los. Das Foto der Kopie von Ingrids Kettenanhänger war jetzt seit mehreren Tagen in den Zeitungen zu sehen gewesen. Ein paar Hinweise waren eingegangen, aber sie hatten alle schnell abschreiben können. Wallboms Überprüfungen von Pfandleihen, Juwelieren und anderen, die Gebrauchtwaren verkauften, hatten nichts gebracht. Das Schmuckstück war verschwunden.
»Ich werde mal nach Karolina suchen«, sagte Stierna und verließ Högstedt.
Er fand sie beim Orchester.
Roland Lindberg spürte den Alkohol, zumindest einen kleinen Schwips. Aber er hatte sich unter Kontrolle.
Berner war betrunken, das sah Lindberg. Die Augen waren gerötet, die Stimme heiser von all dem Cognac. Polizeipräsident Solman stand auch da, mit einem Glas Rotwein in der Hand.
Lindberg fragte sich, warum er hier gelandet war. Eigentlich hatte er sich Stierna und Högstedt anschließen wollen, doch er rauchte nicht, und draußen war es inzwischen zu kalt geworden. Berner und Solman waren auf ihn zugekommen. Und da hatte er nicht weggehen können, das hätte sich nicht gehört.
Solman sprach über Stierna, obwohl dieser nicht bei ihnen war. Der Polizeipräsident wirkte verärgert. Er hatte Stierna am Vormittag zu sich bestellt, erklärt, dass er Männer von den Ermittlungen hinsichtlich Ingrid Bengtssons Ermordung abziehen wollte. Dass die Parlamentswahl viele Beamten erforderte. Dass die Überwachung des spanischen Königs äußerst kostspielig war. Stierna hatte dem Polizeipräsidenten seine Pläne ausgeredet. Hatte ihn geradezu überredet. Und jetzt war Solman verärgert, erklärte, er fühle sich überrumpelt, Stierna habe unüberlegt gehandelt.
Wobei Stierna doch eigentlich nie etwas Unüberlegtes tut, dachte Lindberg.
Berner verteidigte Stierna. Er widersprach Solman an dessen sechzigstem Geburtstag! Lindberg wusste, Berner sah Stierna als
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