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Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
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abgenommen hatten, waren nervös gewesen. Und Stierna hatte sich vorstellen können, was für ein Gefühl das war, wenn sie ins Fingerabdruckskontor bestellt wurden.
    Es waren Mitbürger aus allen Gesellschaftsschichten gewesen. Verwandte von Ingrid, Nachbarn. Personal der Schule, in die sie gegangen war. Männer, die auf der Werft gearbeitet hatten.
    Viele waren wütend gewesen, einige beunruhigt. Doch niemand hatte sich geweigert. Maria Bengtssons Abdruck hatten sie auch in ihrem Register. Åke Erlandssons. Hans Ekströms, er war der Vater von Ingrids Freundin Anna. Harry Schillers.
    Stierna erinnerte sich, welche Unruhe unter den Leuten geherrscht hatte, die darauf warteten, an die Reihe zu kommen, auch wenn sie gar nichts zu befürchten hatten. Wenn Högstedt oder Strand ihre Finger nahmen, sie erst auf die blank polierte Metallscheibe mit der blauschwarzen Druckerfarbe und dann auf das vorbereitete Standardformular vom Zentralbüro für Fingerabdrücke drückten. Auf das weiße, glatte Papier ohne jeden Knick. Das hatte etwas Klinisches an sich. Etwas Kaltes. Und die Angst war immer da – was würden sie hinterher mit den Abdrücken machen, auch wenn Högstedt ihnen versicherte, dass sie weggeworfen würden, sobald man festgestellt hatte, dass sie nicht den Richtigen gefunden hatten? Stierna verstand diese Unruhe, wahrscheinlich hätte er sie selbst genauso gespürt.
    »Wollen wir weitermachen?«, fragte Stierna.
    Grönwall nahm den Block von der Mauer, und sie setzten ihren Spaziergang fort.
    »Bald ist die Sache verjährt«, sagte er. »In wenigen Tagen ist alles vorbei.«
    »Zweieinhalb«, sagte Stierna.
    »In zweieinhalb Tagen ist der Fall verjährt«, wiederholte Grön wall. »Dann wird der, der es getan hat, frei sein. Wird nie verurteilt werden. Was haben Sie für ein Gefühl dabei?«
    Stierna gab keine Antwort.
    Sie trennten sich vor dem Stadthotel. Grönwall ging die Steintreppe hinauf, die zur Rezeption führte. Auch dieses Mal wohnte er hier.
    Stierna trat wieder in den Sonnenschein hinaus. Seine Gedanken waren immer noch bei dem Mord an dem Mädchen. Diese Gespräche mit dem Journalisten, gegen die konnte er sich nicht wappnen. Aber er wusste, auch so hätte er immer wieder daran gedacht, wenn auch nicht so detailliert. Der ehemalige Kommissar wusste nicht, ob es ihm eigentlich guttat, darüber zu sprechen. Vielleicht führte das ja nur dazu, dass er noch tiefer sank.
    Er ging zum Wirtshaus zurück, hoch in sein Zimmer. Er hatte die Ermittlungsunterlagen vom Bett genommen und auf den kleinen Tisch am Fenster gelegt.
    Jetzt nahm er die dickste Mappe in die Hand. »Betr. Djurgårdens Dampfschifffahrtsaktiengesellschaft«.
    In der Mappe lag das Material, das über die Firma aufbewahrt worden war. Sie enthielt Informationen über die Geschäftsleitung, aufgestellt vom Patent- und Registrierungsamt. Die Konkursakten mit der öffentlichen Klage, Angaben über die Schulden, die Gläubiger und das Vermögen. Außerdem die Geschäftsbücher, das Journal und das Inventurbuch aus den letzten fünf Jahren der Firma. Und die Personallisten von 1901 bis 1923. Sie waren sehr genau geführt worden, mit vollständigen Namen, Adressen und Geburtsdaten.
    Lundby hatte sie mit den Polizeidaten verglichen. Dafür gesorgt, dass die früheren Beschäftigten auf der Werft befragt wurden. Sie hatten einen verurteilten Dieb gefunden, der 1919 auf der Werft gearbeitet hatte. Sie hatten drei Männer gefunden, die wegen Schnapsbrennerei vorbestraft waren. Keine Gewaltverbrecher.
    Eigentlich war es unnötig, die Papiere noch einmal durchzugehen. All diese Akten. Eigentlich war es sinnlos, denn er kannte die Wahrheit. Der Fall Ingrid. Er konnte ihn nicht beiseiteschieben. Er wollte sehen, ob er heute etwas anders gemacht hätte. Ob es etwas gab, was er übersehen hatte. Er kannte die Wahrheit, aber vielleicht hätte er sie schon früher sehen müssen.
    Er dachte an Grönwall. Überlegte, wie viel er diesem Journalisten eigentlich erzählen wollte.
    *
    Börje Grönwall saß am Schreibtisch in seinem Hotelzimmer, schrieb die Notizen des heutigen Gesprächs mit Kommissar Stierna auf der Schreibmaschine ins Reine. Der ehemalige Polizeibeamte war wortkarg gewesen, wie abwesend.
    Grönwall war zwischenzeitlich nach Stockholm gefahren, war erst spät am vorherigen Abend zurückgekommen. Er hatte die Polizeizentrale in Kungsholmen besucht, hatte das Gefühl gehabt, das machen zu müssen. Kriminaldirektor Lindberg hatte ihn in seinem

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